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Die dicke Plauze

Die dicke Plauze

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Oliver Schiebek


Premium (World), Düsseldorf

Die dicke Plauze

„Also, ich nehme als Vorspeise das gegrillte Gemüse“, sagte das Nilgans-Küken zur Bedienung.
„Und sind in der Tomatensuppe Croutons?“, wollte es wissen. Der Kellner nickte.
„Die mag ich nicht! Können sie die bitte weglassen?“
„Selbstverständlich, der Herr! Eine Tomatensuppe ohne Croutons.“ Der Ober machte sich Notizen.
„Als Zwischengang hätte ich gerne Bruschetta mit Basilikum-Pesto.“ Die kleine Gans blätterte in der Speisekarte.
„Ah, dies hier!“ Das Küken zeigte mit seinem Flügelchen auf die Spalte mit den Hauptgerichten. „Das Brokkoli-Schnitzel mit Bratkartoffeln. Geht das auch mit Kartoffelstampf?“
„Natürlich. Aber wir hätten auch Salzkartoffeln, Kartoffelgratin, Herzoginkartoffeln und Pommes frites!“ Der Kellner schien sehr stolz auf seine reichhaltige Auswahl an Kartoffelbeilagen zu sein. Währenddessen schaute ich heimlich in meine Geldbörse.
„Ich bleibe beim Stampf.“
„Wie der Herr wünschen!“
Das Gänslein blätterte zur Dessert-Seite um.
„Was meinst du? Soll ich die französische Käseplatte mit Feigensenf oder den Obstsalat mit Zabaione nehmen?“ Es sah mich keck an.
Ich zuckte resigniert mit den Schultern. „Nimm, was dir schmeckt.“
„Dann nehme ich die gemischte Dessert-Auswahl a la surprise!“ Die Bedienung schrieb eifrig mit.
„Und was darf ich ihnen bringen?“, wandte sich die Bedienung mir zu.
„Mir? Och, ich bin heute nicht so hungrig und nehme einen kleinen grünen gemischten Salat mit Essig und Öl.“
Als wir nach drei Stunden das Restaurant verließen war ich um einige Euro ärmer. Das Küken war so vollgefressen, dass es wegen seines dicken Bauchs kaum laufen konnte. Es hielt sich an mir fest und rülpste mir zufrieden in den Nacken. Mein Magen hingegen knurrte.
Auch wenn es harte Arbeit ist: Ich würde immer wieder ein Waisen-Küken bei mir aufnehmen…

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