Back to list
Das Atomkraftwerk Zwentendorf ging nie ans Netz

Das Atomkraftwerk Zwentendorf ging nie ans Netz

2,816 1

Dietmar Guth


Free Account, Koblenz

Das Atomkraftwerk Zwentendorf ging nie ans Netz

Kernkraftwerk Zwentendorf

Eigentümer: Energieversorgung Niederösterreich (EVN AG)
Betreiber: Energieversorgung Niederösterreich (EVN AG)
Projektbeginn: 1. Mai 1971
Stilllegung: 1. Dezember 1978

Das Kernkraftwerk Zwentendorf (auch Kernkraftwerk Tullnerfeld) in Zwentendorf an der Donau (Niederösterreich) ist ein nie in Betrieb gegangenes Kernkraftwerk, das zur größten Investitionsruine der Republik Österreich wurde, aber auch zum innenpolitischen Symbol und Markstein der Wirtschaftsgeschichte.

Planung und Errichtung

Geplant war ein Siedewasserreaktor mit 723 Megawatt Bruttoleistung und einer Nettoleistung von 692 MW[1], dessen Investitionsvolumen 5,2 Milliarden Schilling (377,9 Mio. Euro) umfasst. Am 4. April 1972 wurde mit dem Bau begonnen.[2]
Der Energieplan des Jahres 1976 sah dann den Bau von insgesamt drei Kernkraftwerken in Österreich vor. Ein weiterer Reaktor sollte in St. Pantaleon-Erla/St. Valentin an der Grenze zwischen Niederösterreich und Oberösterreich errichtet werden. Ein drittes Kernkraftwerk war in St. Andrä in Kärnten geplant, wo noch immer 25 Hektar Land für ein Kernkraftwerk gewidmet sind.
Errichtet und betrieben werden sollte das Kraftwerk Zwentendorf von der Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld Ges.m.b.H. (GKT), an der der Bund und die einzelnen Bundesländer durch ihre jeweiligen Energieversorgungsunternehmen wie folgt beteiligt waren:
Bund
Verbund mit 50 %
Bundesländer durch die Landesenergieversorger
Tirol (TIWAG) mit 13,34 %
Niederösterreich (EVN AG) mit 10,83 %,
Steiermark (Estag) mit 10 %,
Oberösterreich (OKA) mit 8,33 %,
Kärnten (Kelag) mit 3,33 %
Salzburg (Salzburg AG) mit 2,5 %
Vorarlberg (VKW) mit 1,67 %
Auf Drängen der Bundesländer wurde der Baubeschluss für das Kernkraftwerk von der Bundesregierung unter Kanzler Kreisky am 22. März 1971 gefällt. Bereits das Energiekonzept der Regierung unter Josef Klaus sah den Bau des Kraftwerks vor.[3] Gebaut wurde der Siedewasserreaktor durch die deutsche Siemens AG. Das Containment wurde von der VOEST produziert. Der Abluftkamin des Kraftwerks hat eine Höhe von 110 Metern.

Volksabstimmung

Stimmzettel der Volksabstimmung
Nach der Errichtung des Kernkraftwerks lehnte die Bevölkerung aber am 5. November 1978 in einer Volksabstimmung mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,47% (bei 3.183.486 gültigen Stimmen, das entspricht einer Beteiligung von 64,1%)[4][5] die Inbetriebnahme ab. Die Volksabstimmung führte zu heftigen Diskussionen, da diese Abstimmung stark an die Person des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky gebunden war, der im Falle eines Votums gegen das Kraftwerk zurücktreten wollte.[6] Die damalige ÖVP unter Obmann Josef Taus sah damals eine Chance, den übermächtigen Bundeskanzler Kreisky (SPÖ) im Falle einer Niederlage zu schwächen oder zum Rücktritt zu bewegen, was allerdings trotz verlorener Abstimmung nicht eintrat: Bruno Kreisky erreichte bei der Nationalratswahl 1979 seinen größten Wahltriumph. Bis zum März 1985, als die „stille Liquidierung“ des Kernkraftwerks Zwentendorf beschlossen wurde, kostete es insgesamt 14 Milliarden Schilling (1 Mrd. Euro), 600 Millionen Schilling (43,6 Mio. Euro) davon waren allein für die Instandhaltung nötig gewesen.
In der Folge führte die Nichtinbetriebnahme bereits im Dezember 1978 zum Atomsperrgesetz, nach welchem in Österreich auch in Zukunft keine Kernkraftwerke ohne Volksabstimmung gebaut werden dürfen. Dieses Gesetz wurde 1999 durch das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich verschärft, welches im Verfassungsrang steht – seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 war die Anti-Atom-Politik gesellschaftlicher, wie auch parteipolitisch einhelliger Konsens geworden.
Außerdem wurde Zwentendorf – abseits der parteipolitischen Aspekte – zu einem Wendepunkt des Demokratieverständnisses im Österreich, wie auch wenige Jahre später die Ereignisse um die Besetzung der Hainburger Au.

Ersatz durch Kohlekraftwerk

Durch das nie in Betrieb gegangene Kraftwerk Zwentendorf fehlte dem österreichischen Energieversorger Verbund diese Kapazität. Mit der Inbetriebnahme des neu errichteten Kohlekraftwerks Dürnrohr 1987 wurde das Problem gelöst. Der Standort ist so gewählt, dass die bereits errichteten Stromleitungen des Kraftwerks Zwentendorf weiter genutzt werden konnten.
Außerdem kann seit 1983 auch über die vom Umspannwerk Dürnrohr nach Tschechien führende Hochspannungsleitung, die im Sammelumspannwerk Slavětice des Kernkraftwerks Dukovany endet, Strom importiert werden. Vorher war dies nur über die bis 1996 bestehende GK Dürnrohr möglich, was die Importleistung auf unter 600 MW begrenzte, seit dem direkten Netzzusammenschluss ist mehr als die doppelte Leistung möglich.

Nachnutzung der Anlage

Das Kernkraftwerk Zwentendorf während der Verleihung der Save the World Awards 2009
Heute dient der Siedewasserreaktor als Ersatzteilspender für die drei baugleichen deutschen Kraftwerke Isar 1, Brunsbüttel oder Philippsburg 1 und wird zu Ausbildungszwecken für die deutsche Kraftwerksschule e. V. in Essen genutzt.[8] Eine Besichtigungsmöglichkeit für die Öffentlichkeit wird vom jetzigen Betreiber angeboten.
Die EVN AG hat im Jahr 2005 das Kraftwerk gekauft. Auf dem Gelände wurde mit einer Investitionssumme von rund 1,2 Millionen Euro eine Photovoltaikanlage errichtet und am 25. Juni 2009 in Betrieb genommen. Mit dem Vollausbau sollen die insgesamt 1.000 an der Fassade und im Freigelände installierten Solarmodule durchschnittlich 180.000 kWh elektrische Energie pro Jahr liefern.[9]
Im Jahr 2010 wurde gemeinsam mit der Technischen Universität Wien das Photovoltaik-Forschungszentrum Zwentendorf gegründet. Damit verbunden ist eine 190 Kilowatt (kW) Photovoltaik-Anlage. Diese besteht aus zwei Modulen mit Nachführungsanlagen.[10][11]
Daneben waren in der Anlage auch andere Einrichtungen untergebracht:
Bis 2001 war in dem Verwaltungsgebäude eine Gendarmerieschule untergebracht.
Das Areal wurde auch immer wieder als Übungsgelände für Einsatzorganisationen im Bereich Katastrophenschutz genutzt.
2002 war darin die Dependance der örtlichen Zwentendorfer Hauptschule beherbergt.
Seit Schuljahr 2009/10 dient es der Zwentendorfer Volksschule als Ausweichquartier, da deren Schulgebäude generalsaniert wird.[12]
Es wurden aber auch umweltpolitsche Aktionen, die die Prominenz des Ortes und seine Nähe zum heutigen Natura 2000-Gebiet Tullnerfelder Donau-Auen nutzen, gesetzt:
Eine Igelkolonie an der Donau wurde eingerichtet.
Am 24. Juli 2009 wurden auf dem AKW-Gelände erstmals die Save the World Awards in zwölf Kategorien (Klimaschutz, Biodiversität, Engagement gegen Hunger und Armut, Demokratie und Zivilgesellschaft u. a.) an Einzelpersonen und Vertreter von NGOs verliehen.[13][14]
Weiters gab es etliche Nutzungen im kulturellen Bereich:
In den Jahren 1999 bis 2002 diente das Gelände auch als Austragungsort des Nuke Musikfestivals.
Der Reaktor diente als Kulisse für einen Film mit dem schwedischen Schauspieler Dolph Lundgren. Der Film kam allerdings nie ins Kino.[15]
Anlässlich des 30. Jahrestages der Volksabstimmung wurde von Andreas Prochaska der Fernsehfilm Der erste Tag gedreht und am 6. November 2008 erstmals ausgestrahlt.
Im Herbst 2010 wurden Teile des Filmes Restrisiko innerhalb der Anlage gedreht. Regie führt dabei Urs Egger, die Hauptrolle hat Ulrike Folkerts. Der Film wurde am 18. Januar 2011 auf Sat.1 ausgestrahlt.[16][17][18]
Am 25. und 26. Mai 2012 wird die Kraftwerksanlage Veranstaltungsort des TOMORROW-Festivals, das die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 als Auftaktveranstaltung für das europaweite Volksbegehren für einen Atomausstieg durchführt.

aus: Wikipedia

Comments 1

  • Linker Wolfgang 22/03/2012 19:02

    Genau wie Mülheim-Kärlich!

    Schöne Aufnahme! Also doch nicht gepaddelt sondern Schiffchen gefahren!

    Gruß Wolfgang