Burkhard Bartel


Premium (World), Stuttgart

400. Montagsdemo gegen Stuttgart 21

Am 15.1.2018

Heute erging folgender Appell aus Verkehrswissenschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft an Angela Merkel: "Stoppen Sie Stuttgart 21 - jetzt!"

Sehr geehrte Bundeskanzlerin, sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

Stuttgart 21 sorgt erneut für Schlagzeilen. Ende 2017 gestand der Bahnvorstand: „Die Inbetriebnahme von S21 erfolgt frühestens 2024“. Die Kosten steigen auf 7,9 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof geht von zehn Milliarden aus. Das ist mehr als das Doppelte dessen, was Ex-Bahnchef Grube bei der "Volksabstimmung" 2011 als „Sollbruchstelle“ bezeichnete.

Vergleiche mit Elbphilharmonie und BER sind falsch. Diese – umstrittenen – Projekte bringen Kapazitätszuwachs. S21 bedeutet Kapazitätsabbau. Acht Durchfahrgleise im Untergrund bringen gut 30 Prozent weniger Leistung als die bestehenden 16 oberirdischen Kopfbahngleise. Zum Vergleich: Die Hauptbahnhöfe Nürnberg und Karlsruhe bieten mit 22 bzw. 14 Durchfahrgleisen wesentlich mehr Kapazität als der S21-Bahnhof. Dabei ist Stuttgart doppelt so groß wie Karlsruhe und um 20 Prozent größer als Nürnberg! S21 bringt auch keine Fahrtzeitverkürzung. Eine solche gibt es nur aufgrund der Neubaustrecke nach Ulm, die mit S21 nichts zu tun hat.

Stuttgart 21 wird voraussichtlich nie in Betrieb gehen. Bis heute gibt es keinen genehmigten Brandschutz und keine genehmigte Planfeststellung für die Flughafen-Anbindung. Die Längsneigung der S21-Gleise und -Bahnsteige übersteigt mit 15,1 Promille die reguläre Obergrenze um das Sechsfache. Züge können beim Fahrgastwechsel ins Rollen kommen; ebenso auf den Bahnsteigen Kinderwagen und Rollstühle.
Dazu kommt ein enormes geologisches Risiko: Von den 60 Kilometern S21-Tunnel verlaufen 16,7 Kilometer im quellfähigen Anhydrit (Gipskeuper). Wie unberechenbar das ist, zeigt Staufen im Breisgau: Dort hebt sich in Folge von Geothermie-Bohrungen im Anhydrit seit einem Jahrzehnt der Boden unter dem Städtchen an.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben nach Fukushima mit dem Beschluss zum Atom-Ausstieg eine mutige Entscheidung getroffen. Dafür haben Sie unsere Anerkennung! Doch so, wie beim Atomausstieg auf alternative Energien umgestiegen werden kann, gibt es bei einem S21-Ausstieg die Alternative „Umstieg21“: Mit diesem Konzept ließe sich ein großer Teil der bisherigen S21-Arbeiten für einen modernisierten Kopfbahnhof mit Busbahnhof, einen wiedererrichteten Park und neue Schienenwege umnutzen. Damit würden rund fünf Milliarden Euro gespart.
Umgekehrt gilt: Im Fall des Weiterbaus von S21 werden die von Ihnen auch persönlich garantierten klimapolitischen Verpflichtungen im Süden Deutschlands massiv verfehlt. Das sinnvollste Schienenverkehrsprojekt, der Deutschland-Takt, wird im Südwesten mit S21 unmöglich gemacht. Dieses Manko kann später nicht mehr ausgeglichen werden, weil dann der notwendige Taktknoten in Stuttgart verbaut ist.

Wir appellieren an Sie:
Entscheiden Sie sich für eine positive Zukunft des Schienenverkehrs in Deutschland und Europa und damit für einen S21-Baustopp!
Lassen Sie die Alternative Umstieg21 ernsthaft überprüfen!
Setzen Sie erneut ein in die Zukunft weisendes Signal!

Hochachtungsvoll – für die 160 Unterzeichnenden
Prof. Dr. Hermann Knoflacher (Wien), Dr. Eisenhart von Loeper (Nagold), Prof. Dr. Monheim (Bonn), Sabine Schmidt (Stuttgart), Dr. Winfried Wolf (Wilhelmshorst)
Stuttgart, 15. Januar 2018
https://www.bei-abriss-aufstand.de/2018/01/17/appell-an-bundeskanzlerin-angela-merkel-stoppen-sie-stuttgart21-jetzt/

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