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Der Hellseher, der seinen eigenen Tod nicht kommen sah

Der Hellseher, der seinen eigenen Tod nicht kommen sah

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smokeonthewater


Premium (World), Berlin

Der Hellseher, der seinen eigenen Tod nicht kommen sah

[Südwestkirchhof der Berliner Stadtsynode, Stahnsdorf bei Potsdam • 9. September 2023]

Hermann Chajm Steinschneider, arisiert Erik Jan Hanussen (2. Juni 1889 Wien – 24./25. März 1933 Berlin)
Seine Grabstelle 50 im Block Charlottenburg III ist schwer zu finden und zurzeit fast zugewachsen.

Der berühmte Illusionist und Wahrsager suchte trotz seiner jüdischen Herkunft die Nähe der Nazis.
Dadurch war er gut vernetzt und konnte politisches Insider-Wissen als Hellseherei vermarkten.
So sagte er voraus, dass Hitler Reichskanzler und dem Volk wieder Arbeit geben wird.
Aber es funktionierte auch umgekehrt: Seine Aktienprognosen beeinflussten die Börsenkurse!

Ob Mitwisser oder Auslöser – den Reichstagsbrand (27.2.1933) konnte er exakt voraussagen: »In vier Tagen.«
Obwohl von der SA geschützt, wurde er einen Monat später von einer anderen SA-Gruppe erschossen.
Das Motiv blieb ungeklärt, aber er wusste zu viel über andere: Intrigen, Geldschulden, Homosexualität.
Klaus Maria Brandauer 1988 in ›Hanussen‹ von István Szábo: https://youtu.be/7nqA9I2yr00

[Historischer Foto-Insert aus Wikipedia © Richard Lewinsohn, gemeinfrei erst ab 10. April 2038:
»The alleged clairvoyant medium Erik Jan Hanussen at an illuminated séance.«
Publiziert 1928 in ›Die Weltbühne‹, Berlin, re-publiziert 1961 von Harper, New York, in
›Science, prophecy, and prediction; man's efforts to foretell the future, from Babylon to Wall Street‹]

Comments 13

  • Zwecke 19/09/2023 19:09

    Du verbreitest interessante Tatsachen von dem Mann.
    Ich würde auch gern Hellsehen können.
    LG Horst
    Gespiegelte Handyknipser
    Gespiegelte Handyknipser
    Zwecke
  • Fotobock 14/09/2023 14:02

    Irgendwie ist es auch gut, wenn selbst ein Wahrsager den Zeitpunkt seines eigenen Ablebens nicht vorhersehen kann. Lg Barbara
    • smokeonthewater 14/09/2023 22:32

      Er ist von den Nazis umgebracht worden, deren Nähe er gesucht hatte. Wie eine Motte, die dem Licht zu nahe kam. Das hätte auch jemand mit normalem Wissen ahnen können, dass das nicht lange gut gehen kann.
      LG Dieter
  • ralf mann 14/09/2023 8:22

    Karl Lueger, Wiener Bürgermeister vor etwa hundert Jahren und der erste Volkstribun des populistischen Antisemitismus, erklärte mal: 'Wer ein Jud ist, bestimme ich!'
    Und so haben es auch die Nazis gehalten, deshalb konnte keiner sicher sein, auch die, die es gar nicht wussten oder nicht wissen wollten. Wer über diese Zeit der Willkür und des Staatsterrors genaueres wissen will, dem empfehle ich gern die unterhaltende Romanfolge über Kommissar Rath von Volker Kutscher. Den Film mit dem großen Brandauer habe ich auch gesehen. Gruß Ralf
    • smokeonthewater 14/09/2023 22:38

      Treffendes Beispiel. Lueger ist mir ein Begriff. Sein Zitat frischte letztes Jahr Putin dergestalt auf, alle Ukrainer zu Nazis zu erklären, selbst den Juden Zelenskyj.
      LG Dieter
  • Christof Hannig 14/09/2023 8:16

    Ein wilde und interessante Geschichte ist das - wieder etwas dazu gelernt!!
    Viele Grüße 
    Christo f
  • anne47 14/09/2023 0:25

    Den Film mit Brandauer habe ich gesehen, mein Vater hat ab und zu von Hanussen erzählt. Er hat damals viele Menschen fasziniert.
    LG Anne
    • smokeonthewater 14/09/2023 0:34

      Er war eine Institution und populär und wusste sich zu verkaufen. Der Film räumt mit der Mystik um seine Person auf. Das Meistergespann Brandauer/Szábo war wie immer sensationell. Leider viel zu selten gezeigt.
      LG Dieter
    • anne47 14/09/2023 0:53

      stimmt, das könnte man mal wieder ins Programm aufnehmen
  • Volker Rein 14/09/2023 0:03

    Wieder eine interessante Geschicht, die Du da ausgegraben hast. Hanussen sagt mir noch was!
    herzlich
    Volker
    • smokeonthewater 14/09/2023 0:23

      "Ausgegraben" passt auf einem Friedhof. :-))
      Die Friedhöfe in und um Berlin sind voll mit Persönlichkeiten. Man muss sich nur die Mühe machen – bei diesem umständlich erreichbaren, riesigen und zugewachsenen Friedhof wörtlich zu nehmen. 
      LG Dieter