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Auf ein neues in 2012

Auf ein neues in 2012

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Christian G. Mainusch


Premium (Pro), Frankfurt am Main

Auf ein neues in 2012

Am 29. Mai 1921, 20 Jahre nach Vereinsgründung, wurde der Sportplatz erstmals offiziell eingeweiht. Trotzdem - die Anfänge der Kickers finden sich jedoch auch dort. Der Bieberer Berg, ein ehemaliger Exerzierplatz, war Übungsgelände für alle Offenbacher Fußballvereine, die sich nach einem genauen Plan die Fläche teilten. So war es nachvollziehbar, dass man zunächst auf ein benachbartes freies Gelände, die „Heylandsruhe“ umzog. Erst nach dem Ersten Weltkrieg, als der Exerzierplatz nicht mehr gebraucht wurde, kehrte der OFC zurück. In der folgenden Zeit erarbeitete man sich sportlich viel Ruhm, der Sportplatz jedoch war aus anderen Gründen in aller Munde. Denn Ende der 30er Jahre spielten die Kickers auf einem Schlackeplatz, der für allerhand Verletzungen bei Gast- aber auch Heimmannschaft sorgte.

Zum ersten Mal grün wurde der Bieberer Berg 1949. Zur Auswahl der Grassamen war Trainer Paul Osswald persönlich nach England geflogen. Mit der Grundsanierung des Sportplatzes – neben dem Rasen wurden auch der Zaun und die Umkleidekabinen erneuert – entwickelte sich der Bieberer Berg langsam aber sicher zum Stadion. Am 14. Dezember 1952 wurde eine 10.000 Zuschauer umfassende überdachte Stehtribüne auf der Gegengeraden, die noch heute als Waldemar-Klein-Tribüne existiert, mit dem Pflichtspiel gegen den KSC Mühlburg/Phönix eingeweiht. Wie überhaupt die meisten Einweihungsspiele verlor der OFC auch dieses mit 1:3. Die erste Flutlichtanlage errichtete der OFC 1956. Bereits vier Jahre später wurde aufgrund einer Verlegung des Spielf5elds eine neue Anlage fällig. Für die erste Tribüne des Bieberer Bergs – eine Holzkonstruktion, die laut städtischer Bauaufsicht einsturzgefährdet war – wurde 1960 eine neue Haupttribüne mit ca. 3.900 Sitzplätzen erri4chtet. Auf Seiten des Schießhaustors – ein Begriff, der noch aus der Zeit des Exerzierplatzes stammt – kam zum Aufstieg in die Bundesliga 1968 noch eine Stahlrohrtribüne hinzu, die 4.000 Stehplätze umfaßte. Durch Erweiterungen der Haupttribüne und der Gegengeraden hatte der Bieberer Berg zu diesem Zeitpunkt ein Fassungsvermögen von 34.000 Zuschauern.


Zwölf Jahre nach dem ersten Flutlichtspiel der Kickers wurde am 19. September die noch heute bestehende Zwei-Masten-Flutlichtanlage eingeweiht. Die bis zum heutigen Tage mehrfach umbenannte Süd-Ost-Tribüne entstand 1973, die am Dach installierten Heizstrahler wurden jedoch nur wenige Male in Betrieb genommen. Es folgte eine lange Zeit des Stillstands, was die Baupläne am Bieberer Berg anging. Die Kickers schwankten zwischen Erster und Zweiter Liga hin und her, und rutschten am Ende gar ins Amateurlager ab. Anfang der 90er Jahre erwog die Stadt Offenbach gar einen Verkauf des Geländes samt Abriss des Stadions. Heftige Proteste der Anhängerinnen und Anhänger sowie eine nachfolgend von der „Offenbach-Post“ gestartete Aktion „Rettet den Bieberer Berg“ führten zum Erhalt des Stadions. Die Stadt übergab dem OFC das Stadion in Erbpacht. Damit war der Bieberer Berg zunächst zwar gesichert, der ohnehin aber klamme Verein zusätzlich mit Betriebs- und Sanierungskosten belastet. Neben zahlreichen Erneuerungen und Reparaturen gab es innerhalb der letzten zehn Jahre nur zwei wesentliche Umbauten. Zum einen wurde nach dem Aufstieg 1999 als Lizenzauflage die Stahlrohrtribüne erneuert. Zum anderen mußte 2005 ebenfalls als Sicherheitsauflage das „Herz“ der Gegengeraden, Block 2, geteilt werden.

Eine Maßnahme, die für große Proteste innerhalb der Anhängerschaft sorgte, die aber aufgrundder Sicherheitsbestimmungen zur Größe von Stehblöcken unumgänglich war. Der Protest war jedoch auch Ausdruck der Beziehung, die die Fans von Kickers Offenbach zu „ihrem“ Stadion haben. Ebenso wie 1992, als der Bieberer Berg kurz vor dem Aus stand, wird das Stadion selbst als Ausdruck der Zusammengehörigkeit von Fans und Verein verstanden. Dementsprechend viel Einsatz zeigen Anhängerinnen und Anhänger auch, wenn es um die Belange des Bieberer Bergs geht. Auf Initiative des Fanclubs „Wetzlarer Elite“ erstellten Fans mit Hilfe der Sitzschalen den Schriftzug OFC auf die Süd-Ost-Tribüne. Ob beim Herausreißen der vermoderten Holzbänke auf der Gegengeraden oder beim Streichen des Stadionszauns in Rot-Weiß – immer fanden sich genug Menschen aus dem Umfeld der Kickers, die bereit waren, selbst Hand anzulegen.

Daß sich die Zuschauer dem Stadion so verbunden fühlen, hängt auch mit der ganz besonderen Atmosphäre zusammen, die ein Fußballspiel am Bieberer Berg bieten kann. Die fehlende Laufbahn schafft eine Nähe zum Spielfeld, die dem Betrachter das Gefühl gibt, direkt am Spielgeschehen teilzunehmen. Und so manche Reaktion auf einen Kommentar in Richtung des Gegners macht deutlich, daß auch die Spieler dies durchaus so wahrnehmen. Verstärkt wird diese Empfindung zusätzlich noch durch die Überdachung der mittlerweile größten Stehtribüne im Profifußball. Fast nirgends werden den Vereinsanhängern noch Stehplätze in so großer Zahl und so exponierter Stelle zur Verfügung gestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt bietet der Bieberer Berg ein Fassungsvermögen von 6.500 Sitz- und 20.000 Stehplätzen, davon 10.000 überdacht. Der Kickers-Roar, berüchtigt seit den 70er Jahren, fegt so bestenfalls wie ein Orkan durchs Stadion und lehrte so manchen Gegner das Fürchten. Ist dann noch das Flutlicht angeschaltet, welches zwar schon manche Kamera zur Verzweiflung brachte, aber von den Zuschauern innig herbeigesehnt wird, entwickelt der Bieberer Berg so manches Mal seinen ganz eigenen Zauber. So lehnte 1994 im DFB-Pokal der damalige Bundesligist Borussia Mönchengladbach ein Freitag-Abendspiel gegen den Drittligisten Kickers Offenbach ab. Und wer erinnert sich nicht an Spiele wie gegen Fortuna Köln 1999 oder den VfR Aalen 2001?



In Zeiten von Sitzplatzarenen und VIP-Logen bietet der Bieberer Berg etwas, was in vielen Vereinen schon verloren gegangen ist. Ein Stadion, in dem nur um eins geht – um Fußball. Dazu gehört auch, daß das Stadion nie einen Namen bekommen hat. Der Bieberer Berg ist einfach der Bieberer Berg. Namen erhalten bestimmte Bereiche im Stadion. Das aber ganz und gar inoffiziell und durch die, die den Bieberer Berg erhalten. Die Zuschauer. So gibt es das Schießhaustor, die Senfkurve oder auch Alcatraz. Und selbst musikalisch findet sich das Stadion der Kickers wieder in der Anhängerschaft. „Oh, Bieberer Berg, oh, Bieberer Berg! Der Himmel weint, die Sonne lacht, das hat uns nie was ausgemacht, wir geh’n immer wieder auf den Bieberer Berg!“ Der Charme der 70er Jahre ist hier an allen Ecken und Enden zu spüren mit allen positiven aber auch negativen Seiten.

Auch wenn die Notwendigkeit einer Erneuerung des Stadions unerläßlich und absehbar ist, noch ist der Bieberer Berg eins der letzten traditionellen Zuschauerstadien im Profifußball.

Quelle : Homepage OFC Kickers 1901 E.V.
http://www.ofc.de/

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