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Und noch immer...

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Und noch immer...

...ist Leonard Peltier unschuldig in den Fängen der US-Justiz, Leipzig, 9/14
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Little Steven : "Leonard Peltier" (im Video wird die Geschichte von Leonard Peltier erzählt)
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Mahnwache (2)
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Und das noch zum Papstbesuch in Kanada (die USA waren/sind nicht besser):
Indigene in Amerika: Verbrechen der katholischen Kirche

»Es war Völkermord«

Langer »Weg zur Versöhnung«: Papst Franziskus spricht nach Kritik in Kanada von »Genozid« an Indigenen

Von Jürgen Heiser

Adam Scotti/Prime Minister's Office/Handout via REUTERS

Am Freitag abend beendete Papst Franziskus seine Kanada-Reise und machte sich auf den Rückflug nach Rom. Aufsehen erregte seine Äußerung, das Internatssystem sogenannter Residential Schools, in dem gut 100 Jahre lang bis in die 1990er Jahre hinein Generationen indigener Kinder »umerzogen« werden sollten, sei »Völkermord« gewesen. Das habe Franziskus laut Vatican News zu Reportern auf seinem Rückflug gesagt, meldete am Sonnabend der indigene Newsblog Native News Online (NNO).

Dieses Wort sei ihm während seiner »Pilgerreise der Buße« in Kanada zunächst nicht in den Sinn gekommen, so der Papst, obwohl er das »Entführen von Kindern« und »die zwangsweise Veränderung einer ganzen Kultur verurteilt« habe. »Völkermord« sei ein klar definierter Begriff. »Sie können also berichten«, so der Papst zu den Presseleuten, »dass ich gesagt habe, dass es ein Völkermord war.« Das Einlenken des Papstes war eine Reaktion auf die zuvor häufig geäußerte Kritik, er habe versäumt, anzuerkennen, dass »die von der Kirche einst gutgeheißenen Greueltaten an den indigenen Völkern in Nord- und Südamerika einem Völkermord gleichkommen«, wie die Juristin Pamela Palmater von der Eel River Bar First Nation in New Brunswick in einem Kommentar der Zeitung Toronto Star erklärte.

Zum Abschluss seines sechstägigen Besuchs bei den indigenen First Nations, Métis und Inuit war Franziskus am Freitag in Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums Nunavut am Nordpolarmeer eingetroffen. Nach Begegnungen in den Provinzen Alberta und Québec traf er zum dritten Mal Überlebende der Internatsschulen und bat das Volk der Inuit um Vergebung für »das Böse, das von nicht wenigen Katholiken« begangen wurde. Er sei »mit dem Wunsch gekommen, gemeinsam einen Weg der Heilung und Versöhnung zu gehen«, so das Kölner Domradio.

Nicht Idee des Vatikan

Auf dem Flughafen von Iqaluit hatte Generalgouverneurin Mary Simon das katholische Kirchenoberhaupt empfangen. Simon, Angehörige der Inuit, ist die erste Indigene in diesem Amt. Sie vertritt in der »föderalen parlamentarischen Monarchie« Kanada die britische Queen Elizabeth II., die offizielle Herrscherin des Landes. Deshalb sprach Franziskus auch nur für zehn Minuten mit Regierungschef Justin Trudeau in Québec, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, nachdem »seine Heiligkeit« dort am Mittwoch eine Rede vor Vertretern von Regierung, Behörden und diplomatischem Korps sowie 50 Überlebenden der Internate gehalten hatte. Letztere konnten jedoch nicht direkt mit dem Papst sprechen, wie Kenneth Deer von der Mohawk Nation gegenüber NNO berichtete. Und das, obwohl Generalgouverneurin Simon hervorgehoben hatte, es sei »dem Mut und der Widerstandsfähigkeit« der Überlebenden zu danken, »dass der Weg für die Bitte um Vergebung der Kirche auf indigenem Land in Kanada geebnet« wurde.

Die päpstliche Reise war keine Idee des Vatikanstaates. Vielmehr war es der 94 Punkte umfassende Handlungskatalog, der 2015 im Abschlussbericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission veröffentlicht wurde, der die Katholiken zu dem Schritt drängte. Nach Vorarbeit der kanadischen Bischofskonferenz und Gesprächen am 1. April in Rom mit Delegierten der First Nations und Überlebenden der Internate hatte sich nun auch der Papst endlich auf den Weg gemacht.

Die von ihm besuchten indigenen Gemeinden machten ihm jedoch schon bald klar, dass seine Kirche auf ihrem »Weg zur Versöhnung« noch eine sehr lange Strecke vor sich hat. Vor allem weil Franziskus durch seine Äußerungen zu Beginn seiner »Büßerreise« den Eindruck vermittelte, dass nicht die Kirche, sondern der kanadische Staat hauptverantwortlich war für den Terror der Internate.

Versteinerte Gesichter

Das deutete Franziskus jedenfalls am vergangenen Montag in seiner ersten Rede an, die er in Maskwacis in der Provinz Alberta hielt, dem Ort der berüchtigten Ermineskin Residential School. Vor Tausenden Indigenen aus ganz Kanada bedauerte der Papst »zutiefst, dass viele Christen die Kolonialmentalität der Mächte unterstützten, die die indigenen Völker unterdrückt haben«. Er bitte »insbesondere um Vergebung für die Gleichgültigkeit vieler Glieder der Kirche«, die an der von den damaligen Regierungen geförderten »kulturellen Vernichtung und Zwangsassimilation in den Internaten mitgewirkt« hätten. Er bitte »demütig um Vergebung für das Böse, das so viele Christen an den indigenen Völkern begangen haben«.

Laut Agenturberichten waren während der Rede des Papstes im Rund der Zuhörenden viele versteinerte Gesichter zu sehen. Ältere Indigene brachen angesichts ihrer Erinnerungen an den Horror des Erlebten in Tränen aus. Es gab indes auch Beifall für die päpstlichen Worte. Überrascht habe die Menge laut NNO, dass »Häuptling Wilton Littlechild dem Papst einen traditionellen Federkopfschmuck schenkte«. Franziskus habe den Kopfschmuck jedoch nur kurz und wortlos aufgesetzt.

Viele Indigene äußerten sich dazu entrüstet im Internet. Russell Diabo von der Mohawk Nation, Herausgeber der Publikation First Nations Strategic Bulletin, verurteilte die Geste auf Twitter als »ein Spektakel aus oberflächlichen Erklärungen des Papstes und dem Aufsetzen des Federschmucks«. Sie nütze nur »der Zusammenarbeit von Kirche und Staat bei der Schaffung der Mythologie einer gemeinsamen ›Versöhnungs‹-Agenda«. Christian Big Eagle von der »Cree Warriors Society« reagierte wütend auf das Geschenk an Franziskus. Einen solchen traditionellen Federschmuck müsse man sich verdienen, schrieb er auf Twitter. Der Papst sei jedoch »Oberhaupt einer Organisation, die indigene Kinder vergewaltigt und ermordet hat«.

Hintergrund: Die Kommission

Am 15. Dezember 2015 veröffentlichte die kanadische Truth and Reconciliation Commission (TRC) ihren Abschlussbericht über die Geschichte der etwa 130 Residential Schools. Die Gründung der TRC 2008 war Folge des Drucks von Kanadas First Nations. Ein nationales Forschungszentrum der TRC sammelte Aussagen ehemaliger Schülerinnen und Schüler sowie Dokumente von Kirchen und Behörden. Im Juni 2010 hielt die TRC ihre erste Nationale Versammlung in Winnipeg ab, an der Tausende teilnahmen. Sie hörten die Berichte der Überlebenden und erfuhren, dass einige staatliche und kirchliche Institutionen dem TRC Dokumente verweigerten.

Zwischen 2011 und 2014 fanden weitere Nationale Versammlungen in Inuvik, Halifax, Saskatoon, Montreal, Vancouver und Edmonton sowie Anhörungen in über 70 Gemeinden statt. Inzwischen hatte die TRC 7.000 Aussagen und mehr als fünf Millionen Dokumente gesammelt. Sie werden im Nationalen Zentrum für Wahrheit und Versöhnung (NCTR) an der Universität von Manitoba aufbewahrt.

Der Abschlussbericht der TRC fasst die furchtbaren Umerziehungserfahrungen von etwa 150.000 kanadischen Mädchen und Jungen zusammen. Viele von ihnen wurden Opfer sexualisierter Gewalt. Mindestens 3.200 starben an Unterernährung, Krankheiten und Gewalt. Die Dunkelziffer ist hoch, weil Todesfälle nicht dokumentiert wurden. Aktuell werden immer neue Massengräber gefunden. Die TRC bewertete das Internatssystem als »kulturellen Völkermord«, als »Zerstörung jener Strukturen und Praktiken, die es einer Gruppe ermöglichen, als Gruppe weiterzuleben«.

Der 94 Punkte umfassende Abschlussbericht enthielt zahlreiche Handlungsaufforderungen wie die Untersuchung von Fällen vermisster indigener Frauen und Mädchen sowie die Verbesserung des Zugangs der indigenen Bevölkerung zu höherer Bildung und medizinischer Versorgung. Stammesrichter Murray Sinclair: »Kanada muss von der Entschuldigung zum Handeln übergehen.« (jh)



Reuebekundungen des Papstes bleiben hinter Forderungen der Indigenen in Kanada zurück

Die Reise von Papst Franziskus zu Kanadas First Nations, Métis und Inuit geht auf Forderungen der kanadischen Wahrheits- und Versöhnungskommission zurück (siehe Beitrag „Die Kommission“). Kritik an den Erklärungen des Papstes kommt laut dem Onlineblog „Indigenous Watchdog“ vor allem aus den Reihen dieser Kommission, von deren drei Vorsitzenden von 2009 bis 2015 einer Murray Sinclair war. Der Stammesrichter der Ojibwe und ehemalige Senator der Provinz Manitoba kritisierte in seiner schriftlichen Erklärung vom vergangenen Dienstag, die Reuebekundung des Papstes gehe nicht weit genug. Sie bleibe weit hinter dem zurück, was der Abschlussbericht der Kommission in seinem „Aufruf zum Handeln“ von der römisch-katholischen Kirche forderte, „um ihrer Rolle in der Geschichte der Kolonisierung und dem Erbe der Internatsschulen“ gerecht zu werden. Der Papst müsse mehr tun, als sich wegen der Rolle seiner Kirche „beim spirituellen, kulturellen, emotionalen, körperlichen und sexuellen Missbrauch von Kindern“ zu entschuldigen, betonte Sinclair. Die Überlebenden hätten außer Reue vor allem die Übernahme der vollen Verantwortung für das erwartet, was ihnen von der Kirche angetan wurde. Stattdessen habe Franziskus „einzelnen Gliedern der Kirche die Schuld zugeschoben“.

Sinclair sagte, seit jeher seien katholische Führer von der „Entdeckungsdoktrin“ angetrieben worden, einem päpstlichen Edikt aus dem 15. Jahrhundert, das die koloniale Expansion rechtfertigte und es den Europäern erlaubte, indigenes Land als ihr eigenes zu beanspruchen. Die Regierung Kanadas sei dadurch befähigt worden, das zu begehen, was die Kommission als „kulturellen Völkermord an den indigenen Völkern Kanadas“ eingestuft hatte. Das sei eben „nicht nur Zusammenarbeit, sondern Anstiftung“ gewesen, so Sinclair. Es gebe eindeutige Beispiele aus der Geschichte dafür, „dass die Kirche die kanadische Regierung dazu aufforderte, bei der Vernichtung indigener Kultur, ihrer traditionellen Praktiken und ihres Glaubens aggressiver und mutiger vorzugehen“.

Das sei über „das Werk einiger weniger schlechter Akteure“ hinausgegangen. „Dies war eine konzertierte institutionelle Anstrengung, Kinder aus ihren Familien und Kulturen herauszulösen, alles im Namen der christlichen Vorherrschaft“, sagte der Kommissionsvorsitzende. Er folgerte, Versöhnung erfordere Taten, und die katholische Kirche müsse sich für die Wiederherstellung der Kultur, des Glaubens und der Traditionen einsetzen, „die durch die Assimilation zerstört wurden“. Den Kindern und Nachkommen der Überlebenden reiche es nicht aus, „dass sie nicht mehr missbraucht werden“. Vielmehr müsse die Kirche Heilungsprozesse unterstützen und sich verpflichten, „so etwas nie wieder zu tun“. Es gebe einen besseren Weg für die Kirche und die gesamte kanadische Gesellschaft: „Die Verantwortung für vergangene Handlungen zu übernehmen und sich zu entschließen, es auf dem Weg der Versöhnung besser zu machen“. Jürgen Heiser

Comments 13

  • susanne-h 14/08/2022 16:48

    Dankle für die Erinnerung und die Hintergrunderklärungen. Es ist alles unfassbar
  • Iris Herzog 09/08/2022 19:44

    Danke auch noch mal für diese umfassenden Infos.
    Solch ein Leid macht sprach- und fassungslos ...
    Dass dies über einen solch langen Zeitraum bis in die 1990er Jahre geschehen konnte, ist unfassbar.
    LG Iris
  • Lila 08/08/2022 1:26

    Das kann man auch nicht mit Geld gut machen !!!
    L.G. LIla
  • Hellmut Hubmann 07/08/2022 17:04

    Danke für die ausführliche Info!!!!

    Diese katholische Kirche ist ein einziger Sündenfall. WAS ändert sich nach dieser Reise, die seit 2015 gefordert wurde?
  • Hans-Joachim Maquet 07/08/2022 13:46

    Beide Daumen hoch für Deine 1A Präsentation.
    Ja, ja, ja immer schön weiter heucheln ... 
    LG Hans-Joachim
  • André Reinders 07/08/2022 12:35

    Haben sich alle nicht mit Ruhm bekleckert, gutes Foto!

    LGAndré
  • Caroluspiel 07/08/2022 12:29

    starke Reportage.
    ciao Philipp
  • LAVA EIKON 07/08/2022 12:28

    Die Welt hat noch nichts an Gerechtigkeit gewonnen! Schlimmer Zustand!
    LG Fabi
  • Jürgen Michael Walter Kemper 07/08/2022 12:11

    Nicht gut! Aber Vodafone tut sicher sein Möglichstes...
    LG Jürgen
  • Manfred Zöberer 07/08/2022 11:13

    Die US-Justiz ist schlimm, aber ist die europäische weniger schlimm (oder gerechter im Sinne von Menschlichkeit)?
    LG Manfred
  • skalare 44 07/08/2022 10:45

    D a s sieht so interessant aus - ich will es mir später in Ruhe durchlesen!!!!
    Lg Ursula
  • Hellmut Hubmann 07/08/2022 9:13

    Wer kennt Julian Assange?

    Welcher deutsche Minister setzte sich öffentlich und laut für ihn ein?

    Immer diese kleinen Unterschiede bei allen demokratischen Gleichheiten.

    Gut und wichtig Foto und  Hintergrund-Info.
  • Karla M.B. 07/08/2022 9:04

    Das hast du hier sehr gut dokumentiert !!
    LG Karla