Ufer gekippt

Ufer gekippt

Die Spiegelung im stillen Novembersee
wurde um 90° gedreht.

Tungali

Es war einmal ein Zwerg mit Namen Tungali. In seinem Land war er ein Großer.
Er war sehr alt und seine Augen waren von Runzeln schon ganz klein geworden, sein Bart mit den Jahren lang und weiß. Wie jeder Zwerg war Tungali mit einer besonderen Gabe gesegnet, er spielte seit er auf diese Welt kam, mit großer Hingabe die Flöte. Je älter er wurde, desto bezaubernder und weiser wurde sein Spiel, seine Melodien waren so schön, dass sie jede Seele berührten.
Am liebsten spielte er an den Ufern eines Sees, der Widerhall des Wassers gab den Tönen einen ganz besonders herrlichen Klang. Auch segelten die zarten Weisen weithin auf den Wolken in die Welt hinaus. Selbst wenn nur noch ein ganz leiser Ton zu hören war, traf er in jedes Herz, und jedem, bei dem er ankam, tat er gut.

So sehnten sich aus der Ferne fremde Wesen, dem Flötenspieler nahe zu sein und machten sich auf einen weiten Weg.

Ein spitzbübischer Wasser-Kobold, der sonst nur allerlei hinterlistigen und ärgerlichen Schabernack im Sinn hatte, folgte der lockenden Melodie und traf auf Tungali. Auch ihm wollte er einen Streich spielen. Der Kobold war aber so fasziniert, dass er all seine Streiche vergaß und blieb. Tungali versprach ihm daraufhin dankbar, ihn vor verärgerten Verfolgern zu beschützen.

Selbst auf den weiten Meeren verfehlte Tungalis Spiel seine Wirkung nicht. Ein böses, neidisches Seeräuberlein segelte mit seinem Schiff herbei.
Als er von dem Spiel genug hatte, wollte er wieder auf das Meer hinaus und sein Unheil über die Seefahrer bringen. Da sagte Tungali: „Ehe du weiter Angst und Schrecken auf den Weltmeeren verbreitest, halte ich dich bei mir gefangen“. Das Seeräuberlein strampelte und schrie, aber es nutzte ihm nichts.

So waren nun drei Geister auf ewig fest mit einander vereint: Der Gute, der Hinterlistige und der Böse.
Und der Gute hat die Macht über alle, wenn du genau schaust, entdeckst du diese geheimen Geister überall.
Du weißt – Zwerge werden sehr alt. So lebt er noch heute.

Märchen von Ulrike Sobick