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Rückflug mit Stauffenberg ....

Rückflug mit Stauffenberg ....

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Ulrich J. Kind


Premium (Pro), Riedbach/Krs.Haßberge (Ufr.) - Bayern

Rückflug mit Stauffenberg ....

... Oswald Bauernschubert erinnerte sich zum 90. Geburtstag.
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Zum Jahrestag am 20. Juli 2011 stelle ich hier eine überarbeitete Textfassung ein, da neue Einzelheiten (Flugbefehl) zum Stauffenberg-Anschlag aufgetaucht sind!
Um Missverständnisse zu vermeiden sind die Texte von den hier zitierten Autoren Kind (*1), Gimmler (*2) und Mößlein (*3) genau zugewiesen!
-> K.-Th. v. Guttenberg lässt grüßen {;-)))
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Rückflug nach Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 mit Claus Schenk, Graf von Stauffenberg an Bord
- Mechenried (Krs. Haßberge, Bayern) -
*1) Bei bester Gesundheit hat Oswald Bauernschubert (im Bild) im Kreise seiner Familie am 5. August 2009 seinen 90. Geburtstag gefeiert.
Neben den vier Söhnen Klaus, Rainer, Wolfgang und Jürgen gratulieren acht Enkel und zwei Urenkel zum Geburtstag.

- DER 90. GEBURTSTAG -
*1) Ein Blick zurück: Oswald Bauernschubert wurde am 5. August 1919 in Mechenried (Gemeinde Riedbach) geboren und wuchs zusammen mit drei jüngeren Schwestern in einem landwirtschaftlich geprägten Elternhaus auf. Nach der Volksschule besuchte er die Landwirtschaftsschule und übernahm später den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft schulte er Mitte der 1950er Jahre um und wurde Versicherungskaufmann.
Bemerkenswert die weiteren Lebenserinnerungen des 90-Jährigen: Wie viele andere Angehörige seiner Generation wurde er im Jahr 1938 zum Arbeitsdienst eingezogen. Ab 1939 gehörte er als Bordfunker zum fliegenden Personal der Luftwaffe.

- DER ANSCHLAG -
*1,2) Sein zweimotoriges Flugzeug, eine Heinkel (HE) 111, ein Flugzeug mit Platz für zehn Passagiere, war in Lötzen im damaligen Ostpreußen stationiert und hatte Graf von Stauffenberg nach dessen missglückten Anschlag auf Adolf Hitler von der Wolfsschanze nach Berlin geflogen. „Ich war damals in der Flugbereitschaft für den Generalstab eingesetzt“, von den Ereignissen im vorletzten Kriegsjahr kann er noch sehr präzise erzählen. Er erinnert sich genau an den 20. Juli 1944, der nach dem Willen der Verschwörer die totale Niederlage des Deutschen Reiches verhindern sollte. „Etwas hektisch ging es am Morgen zu“, was rückblickend schon mit dem geplanten Anschlag zusammengehangen hat.
Die Flugzeugbesatzung hatte den Befehl bekommen, einen gewissen Graf von Stauffenberg, ein Name der ihm bis dahin nichts sagte, von dem 30 Kilometer entfernten Rastenburg – dies ist der Flugplatz beim Führerhauptquartier Wolfsschanze – nach Berlin Rangsdorf zu fliegen. Der offizielle Flugauftrag, Stauffenberg in Rastenburg abzuholen, erfolgte ohne Wissen der versammelten Nazis im Hauptquartier, die sonst misstrauisch geworden wären. Bauernschubert nimmt an, dass der Auftraggeber nach dem fehlgeschlagenen Attentat dafür mit seinem Leben bezahlte.

- DER FLUGBEFEHL -
*3) „Oswald Bauernschubert ist der letzte Zeitzeuge dieser Ereignisse“, meint Gerd Thieme. Der Berliner beschäftigt sich seit etlichen Jahren intensiv mit der Geschichte des Flugplatzes in Rangsdorf. Aus diesem Grund war er im Internet unter www.mainpost.de auf den Artikel gestoßen, der vor zwei Jahren in dieser Zeitung über Oswald Bauernschubert und seine besondere Verbindung zum 20. Juli 1944 erschienen ist. Daraufhin hatte er sich Anfang dieses Jahres an den Mechenrieder gewandt. Seinem Brief lag die Kopie eines Dokuments bei, das für Oswald Bauernschubert eine ganz besondere Bedeutung hat: der Flugbefehl für den „kriegswichtigen Sonderflug und Verlegungsflug“ – so im Original – von Rastenburg nach Berlin.
Dieses verschollen geglaubte Dokument belegt eindeutig, dass Feldwebel Bauernschubert tatsächlich als Funker an Bord war. Dies war dem Mechenrieder bis dahin nicht möglich gewesen; er besitzt zwar noch sein altes Flugbuch mit den entsprechenden handschriftlichen Eintragungen. Doch diese könnten nachträglich gefälscht worden sein. Der Flugbefehl war jedoch für Oswald Bauernschubert und die drei weiteren Besatzungsmitglieder bereits unmittelbar nach dem Flug noch viel wichtiger.
Gerd Thieme hat den Flugbefehl vor fünf Jahren von der Witwe des Piloten, Ewald Agatz, erhalten, der die HE 111 von Lötzen aus flog. Als die Frau nach dem Tod ihres Mannes dessen alte Uniformjacke in die Hand nahm, fand sie in einer Tasche einen beigefarbenen Zettel – den Flugbefehl vom 20. Juli 1944. Sie händigte Gerd Thieme das Original aus – „für einen Tag“, wie der Berliner sagt. Dennoch genug Zeit für Thieme, um mit dem Flugbefehl zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand im ehemaligen Oberkommando der Wehrmacht in Berlin, dem Bendlerblock, zu gehen, um sich die Echtheit bestätigen zu lassen. „Die waren dort zunächst skeptisch, dann jedoch sehr dankbar für die Hilfe, als sie festgestellt haben, dass es sich tatsächlich um den original Flugbefehl handelt“, beschreibt Thieme die Reaktion der Mitarbeiter der Gedenkstätte. Das Originaldokument wollte die Pilotenwitwe unbedingt bei sich behalten, um es mit ins Grab zu nehmen. So hat es die Frau, die zuletzt in einem Heim in Bergen-Belsen gelebt hat, gegenüber Gerd Thieme angekündigt.

*1, 2) Doch zurück zu Oswald Bauernschubert in Mechenried. Nachdem er und die restliche Flugzeugbesatzung am Tag nach dem Attentat auf Hitler aus dem Arrest entlassen worden waren, ruhte der Flugbetrieb in Lötzen im Trubel der folgenden Tage zunächst, wie Oswald Bauernschubert berichtet. Wenig später wurde der Flugplatz wegen der heranrückenden Roten Armee aufgelöst. Oswald Bauernschuberts Zeit als Bordfunker war damit so gut wie beendet.

*3) Am 4. August 1944, so steht es in seinem Flugbuch, war sein letzter Kriegsflug. Es war eine Verlegung nach Wien, wo er zu einer Einheit Fallschirmjäger kam. „Man hatte mir die Wahl gelassen, ob ich zur SS oder zu den Fallschirmjägern wollte“, sagt Bauernschubert, der am 5. August 2011 seinen 92. Geburtstag feiert.

- DER RÜCKFLUG -
*1, 2) Stauffenberg betrat in Begleitung seines Adjutanten Werner von Haeften die Maschine. Der Platz des Bordfunkers war direkt hinter den Flugzeugführern im Cockpit. Es gehörte zu seinen Aufgaben als Bordfunker, mit der Flugleitung Kontakt zu halten und den Piloten mit wichtigen Flugdaten zu versorgen. Er konnte beim Flug den Passagierraum einsehen, Stauffenberg habe weder nervös noch hektisch gewirkt. Es hätte kein Indiz gegeben, dass dort jemand saß, der gerade versucht hatte, einen der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte zu beseitigen.

*2) Als Bordfunker hatte Bauernschubert auch die Pflicht, das Flugbuch zu führen. Dieses Buch besitzt der rüstige Rentner heute noch. „qax Stauffenberg“ steht dort handschriftlich geschrieben, was in der Funkersprache soviel heißt wie „Stauffenberg an Bord“.
Für die Flugstrecke von 650 Kilometer brauchte die He 111 damals rund 130 Minuten, mit Start um 13.50 Uhr, Ankunft in Rangsdorf (Berlin) um 16 Uhr, so der Eintrag im Flugbuch. Erst nach der Landung stellte sich heraus, dass dies kein normaler Flug gewesen war. Wie es damals nach der Landung üblich war hatte zur Verabschiedung der Passagiere die Flugzeugbesatzung sich in Reih und Glied aufgestellt, Stauffenberg grüßte kurz und ging dann auf sein Empfangskomitee zu. Noch heute erinnert er sich ganz genau an die Worte Stauffenbergs: „Meine Herren, der Führer Adolf Hitler ist tot“. Man sei da gestanden, wie vom Donner gerührt.
Zu diesem Zeitpunkt war nicht mehr zu erfahren, im Laufe des Abends und in der Nacht drangen immer mehr Informationen durch. Es wurde klar, dass es eine Verschwörung gab. Die Flugzeugbesatzung war erst mal den Nazis verdächtig und sei erst mal in den Arrest gewandert. Da aber ein genehmigter Flugbefehl vorlag, war klar, dass die Besatzung nichts mit der Verschwörung zu tun hatte. Erst am nächsten Tag konnten man zum Heimatstandort nach Lötzen zurückfliegen.
Die weitere Geschichte um Stauffenberg ist bekannt. Die Bombe hatte Adolf Hitler knapp verfehlt und nicht getötet. Dies und die Verzögerung der „Operation Walküre“, der vom Verschwörerkreis vorbereitete Plan zur Machtübernahme nach der Liquidierung Hitlers, ließ schließlich den Umsturzversuch scheitern. Die ganze Aktion war nur zögerlich angelaufen, erst nach 16.30 Uhr gingen Befehle für den Staatsstreich hinaus, die jedoch umgehend von der Wolfsschanze widerrufen wurden. Die Nazis errangen wieder allmählich die Kontrolle über die Situation. Der Bendlerblock in Berlin wurde gegen 23 Uhr gestürmt und die Mitverschwörer nach einem Schusswechsel gefangen genommen. Wenige Minuten nach Mitternacht wurden Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Werner von Haeften im Innenhof des Bendlerblocks standrechtlich erschossen.
Rückblickend ist Stauffenberg für Bauernschubert ein Held, auch wenn er zugibt, dass er dies damals noch nicht so gesehen hatte. „Wir waren ja Patrioten“, meint er. „Wir wollten nicht die Niederlage Deutschlands.“ Er glaubt, dass sich Stauffenberg sehr sicher gewesen sein muss, dass der Anschlag auf Hitler geglückt ist. „Er hätte ja nicht nach Berlin zurück fliegen müssen“, meint er. „Er hätte das Flugzeug beispielsweise mit der Pistole in der Hand ins neutrale Schweden umleiten können“, so der 90-Jährige, da wäre er dann in Sicherheit gewesen.
Der große Fehler von Stauffenberg sei gewesen, so Bauernschubert heute, dass er von den zwei vorhandenen Sprengsätzen, nur einen scharf gemacht hat. Hitler hätte, wenn alle beide Sprengstoffpakete hochgegangen wären, nicht überlebt, so die Meinung der Experten. Durch die Vorverlegung der Lagebesprechung in der Wolfsschanze wird angenommen, dass Stauffenberg nur in der Lage war, eine Bombe mit den chemischen Bleistiftzündern scharf zu machen. Er übergab seinem Adjutanten Haeften, der ja keinen Zugang zum Hauptquartier hatte die andere Sprengladung. Wäre die zweite Sprengladung einfach in die Aktentasche dazugelegt worden, hätte die Explosion aufgrund der größeren Wucht alle im Raum getötet, sind sich Experten sicher. Zum Zeitpunkt der Explosion hatte sich Hitler weit über das Kartenmaterial gebeugt und so sei vermutlich sein Körper durch den schweren Eichentisch geschützt worden, er wurde nur leicht verletzt, vier Gefolgsleute von Hitler erlagen ihren schweren Verletzungen.
Den umstrittenen Film „Operation Walküre“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle, der in die Kinos gekommen ist, hat er sich nicht angeschaut. „Interessieren tut er mich schon, aber ich bin kein Kinogänger“, sagt er. Er will warten, bis er im Fernsehen zu sehen ist. Dafür hat er einen etwa zur gleichen Zeit gesendeten Film im Fernsehen über Stauffenberg gesehen und war beeindruckt von der Genauigkeit der Recherche. Die Flugzeiten hätten alle gestimmt, wie er noch heute in seinem Flugbuch nachweisen kann. Allerdings war das Flugzeug im Film mit einem großen Hakenkreuz versehen. „Das stimmt nicht“, sagt er. „Es war in Wahrheit ein deutsches Kreuz.“ Aber das Hakenkreuz habe wohl gut zur Film-Dramaturgie gepasst, vermutet er.

*1, 2) Für Bauernschubert ging der Krieg nach dem Anschlag weiter. Er wurde bald von der Flugbereitschaft abgezogen. Diese wurde aufgelöst, weil sie in der zusammenbrechenden Front nicht mehr gebraucht wurde, seine HE 111 wurde zu Kampfzwecken umgerüstet. Das Ende des Krieges erlebte Bauernschubert als Fallschirmjäger in Holland. Vier Monate lang war er in Kriegsgefangenschaft, dann kam er wieder unversehrt zurück in den Haßgau.

*1) Doch nun zurück zum Jubilar: In seiner Heimatgemeinde zeigte Oswald Bauernschubert im Vereinsleben großes Engagement und verfolgt heute noch interessiert die kommunalpolitischen Themen. Zehn Jahre agierte er als Feuerwehrkommandant, gehört im Grunde jedem Verein in Mechenried an und war 1948 Gründungsmitglied beim SV Rot-Weiß Mechenried und später lange Zeit im Vereinsvorstand tätig, wo er heute Ehrenmitglied ist.
Auch außerhalb der Gemeinde war er äußerst aktiv. Er war viele Jahre Beisitzer im Jugendschöffengericht in Bamberg und im Jugendbeirat Unterfranken. Vor seiner Hochzeit betätigte er sich als Bierbrauer und war Vorsitzender des bayerischen Hausbrauereiverbandes. Neben der Jagd pflegt er ein weiteres Hobby: Er sammelt seit über 55 Jahren Briefmarken.
Seine Frau Maria, die im Oktober 2008 starb, lernte Oswald Bauernschubert im Jahr 1950 in der katholischen Landjugend kennen. Die junge Lehrerin stammte aus Waischenfeld in Oberfranken. Zwei Jahre später traute Pfarrer Friedrich Thein das Paar, das 2002 Goldene Hochzeit feierte. Bis zuletzt kümmerte er sich um seine pflegebedürftige Ehefrau. Der rüstige Jubilar lebt mit seinem Sohn Wolfgang zusammen in seinem Haus in Mechenried.
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Foto: Ulrich Kind
Texte: Ulrich Kind (*1) - DER 90. GEBURTSTAG -, ergänzt zum Jahrestag am 20. Juli 2011 mit Textauszügen von den beiden Redakteuren der Redaktion Hofheim: Klaus Gimmler (*2) - DER ANSCHLAG - DER RÜCKFLUG -, sowie von Michael Mößlein (*3) - DER FLUGBEFEHL - !
Die Texte dazu sind jeweils erschienen in der Mainpost-Regionalausgabe Haßberge des "Boten vom Haßgau" in Hofheim (in Unterfranken) am 5. August 2009, sowie in der Mainpost-Gesamtausgaben vom 28. August und 8. Dezember 2009 und jetzt zuletzt am 10. Juli 2011.
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