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- in der Gedankenhalle II -

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- in der Gedankenhalle II -

gestern hab’ ich Jarek getroffen
Jarek den Sportler, den Kämpfer
den Kämpfer mit dem schwarzen Gurt und- vielmehr…

heute muss ich an Jens denken
Jens der alles ändern wollte
Jens der Träumer
der Träumer von dem großem Geld- weißt bescheid
doch Träume sind doch oft nur Träume
Jens hatte keine Angst zu sterben- Jens hatte Angst um seine Familie…

heute muss ich an Manne denken
wie wir bei Joel ich in der Küche saßen
wie Manne Schwarzbrot aß
wie Manne Schwarzbrot aß und immer wieder einnickte
Manne war voll drauf
Joel hatte Manne schon des Öfteren zurückgeholt- ihm Naloxon gespritzt
doch irgendwann war Joel nicht da…

heute muss ich an Rumänien denken
die Fahrt durch Rumänien von Bukarest ans Schwarze Meer
die Fahrt durch Rumänien , wo wir in dem kleinen Dorf stoppen mussten
die Fahrt wo ich ihn sah-
Wo ich ihn aus dem Fenster sah, nur einen Steinwurf entfernt
er war noch so jung
er lag auf dem Rücken, kein Blut
kein Blut- doch ich weiß jetzt, man erkennt einen Toten, wenn man ihn sieht…

heute muss ich an Jarek denken
wie ich ihn gestern traf
wie ich ihn gestern traf und er sich am Einkaufswagen festhielt
wie ich ihn sah mit den Schläuchen in der Nase und der Sauerstoffflasche auf dem Rücken
wie er sagte- die Lunge kollabiere immer wieder
wie er sagte- sie müssen mich wohl wieder aufschlitzen
wie er diese Bewegung machte, als wolle den Reisverschluss seiner Jacke schließen
sie schließen bis hinauf zum Kragen
wie er meinte- es ist halt so, da kannste nichts machen
und wie ich dachte- nein, da kann ich nichts machen aber ich würde es gern…

Comments 9

  • Peter Kryzun 17/04/2015 8:01

    Klasse
    Lg
    peter
  • silvanaW 11/06/2014 21:34

    *
  • GiselaChrista 07/02/2014 17:03

    Das ist ein wunderbares Foto. Da bleiben mir die Worte im Mund stecken.
  • Agelos Kardamilas 18/09/2013 14:41

    !!!!!!!!!!!!
  • Aussteiger X 09/09/2013 20:36

    traurig berührt
  • Gerhard Körsgen 08/09/2013 16:16

    Lucius hat mir dieses Bild geschickt, alleine wäre ich nicht darauf gestoßen...vielen Dank für diesen Diamanten unter all' dem Geröll :-)
    Fotografisch und von den verwendeten Worten her ganz ausgezeichnet !

    LG Gerry
  • s. sabine krause 05/09/2013 17:38

    ja, der text ist sehr gelungen! er berührt, und wenn man am ende angelangt ist, hält man kurz inne und beginnt nochmal von vorn zu lesen… menschen – egal wer sie sind und was sie auf der erde getan oder nicht getan haben – sind doch im grunde nicht mehr als ein wimpernschlag in der ewigkeit. oder so… kaum geboren, schon wieder in auflösung begriffen… diese rührende fragilität strahlt für mich auch dein bild aus. der mensch und eines seiner erschöpften ichs, in loslösung begriffen… lieblingsdetail: der kleine kreuzförmige menschenschatten ganz hinten an der weißen wand! lg, sabine. p.s.: irgendwie ist der freie raum unter dem bild ja auch eine "gedankenhalle"…
  • Lucius Sombre 05/09/2013 14:11

    Lieber Joe,
    mir ist im weiteren Nachdenken über Dein Gedicht noch etwas eingefallen; vielleicht kann ich dadurch noch besser formulieren, was mich so berührt hat. Dazu zitiere ich zwei Verse von einem Dichter, dessen Ton dem Deines Textes nicht entgegengesetzter sein könnte, nämlich von Schiller ("Nänie"):
    "Auch ein Klaglied zu sein im Munde der Geliebten, ist herrlich /
    Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab."
    Berührt hat mich also das Gedenken in Deinem Gedicht - die Art, wie Du diesen verschwundenen Menschen Deines Lebenswegs ein Denkmal setzt, so dass man sich an sie erinnern kann, selbst wenn man sie niemals kennen gelernt hat.
    Nochmals herzliche Grüße von
    Lucius
  • Lucius Sombre 05/09/2013 11:45

    Lieber Joe,
    Dein Bild ganz zu sehen, darauf war ich neugierig, aber dann las ich Dein Gedicht und bin sehr, sehr berührt - es sind Worte, die bei allem Schrecken, aller Trauer über das Vergehen, über das Nicht-Gelingen, über die Halt- und Rettungslosigkeit, über die Ohnmacht des immensen Wunsches nach einem gelingenden Leben doch eine, sozusagen absurde, Hoffnung ausstrahlen - weil die berührende Sprache mit ihren eindrücklichen Bildern und dem differenzierten Ton des Trauerns doch zeigt, wie sich der ganze Schmerz der Welt in einem fühlenden Herz sammeln und artikulieren kann. Und damit vollzieht sich zugleich eine Erhebung, ein Hinausgehen darüber, ein bloß passives und ohnmächtiges Opfer dieses Schmerzes zu sein.
    Herzliche Grüße
    Lucius

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Aperture 5.6
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