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Glänzender Schönling - Bagheera laselva (Costa Rica)

Glänzender Schönling - Bagheera laselva (Costa Rica)

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Weißwolf


Premium (World), Güstrow

Glänzender Schönling - Bagheera laselva (Costa Rica)

2009 erschien eine relativ kurze wissenschaftliche Veröffentlichung, die schnell in anderen Medien Schlagzeilen machte: In Mexiko und in Costa Rica hatten Forscher über mehrere Jahre eine Spinne beobachtet, die sich offensichtlich überwiegend vegetarisch ernährt. Das war und ist bis heute eine kleine Sensation, denn alle (sic!) anderen bekannten Spinnen sind ausschließlich oder fast ausschließlich Jäger, die lebende Tiere überwältigen; einige Arten nehmen nur gelegentlich Pollen oder Nektar zu sich, gewissermaßen als Zubrot oder Nahrungsergänzung. Bei dieser Spinne verhält es sich aber völlig anders.
Sie hört auf den Namen Bagheera kiplingi und erinnert namentlich an den Panther im „Dschungelbuch“ sowie dessen Autor, und ist eine Springspinne. 1896 wurde das Männchen erstbeschrieben (und mit der Diagnose zugleich auch die Gattung aufgestellt), das Weibchen erstaunlicherweise erst 1996, also genau 100 Jahre später. Bis 2013 enthielt die Gattung nur zwei Arten, neben „Kiplings Spinne“ noch B. prosper, die 1996 in die Gattung umgestellt wurde. Mit der Revision 2013 fanden die Autoren zwei weitere - neue – Arten, deren Exemplare bis dahin offenbar unbenannt waren: B. motagua wurde 2005 von einem der Autoren in Guatemala am Rio Motagua gefunden, B. laselva lagerte mit einem Männchen seit August 1963 unbeachtet in der Florida State Collection of Arthropods (Holotyp), weitere kamen 1997 aus der Nähe der Biologischen Station La Selva in Costa Rica hinzu (Paratypen) – daher bekam die neue Art auch ihren Namen und ist hier abgebildet. Damit enthält die Gattung aktuell vier Arten, die sich morphologisch gut trennen lassen.
Über die Ernährung der beiden „alten“ Arten liegen halbwegs gesicherte Erkenntnisse vor. Während B. prosper aktiv auf die Jagd geht, wie sich das für eine Springspinne gehört, lebt B. kiplingi völlig anders. Sie hat sich in eine – bereits seit langem bekannte – Symbiose zwischen Ameisen (mehrere Pseudomyrmex-Arten) und Akazien (mehrere Vachellia-Arten) geklinkt und lebt dort als Schmarotzer. Die Ameisen nisten in den Bäumen und halten pflanzenfressende Insekten fern. Dafür produzieren die Akazien an den Blatträndern kleine, eiweiß- und fettreiche Anhänge, die Belt’schen Körperchen, die die einzige Nahrungsquelle für die Ameisen darstellen; zudem bilden sie zahlreiche hohle Dornen, in denen die Sechsbeiner nisten können.
B. kiplingi besetzt (oder genauer: ist) eine ökologische Nische im Grenzbereich zur Gefahr, denn das aggressive Territorialverhalten der Ameisen gegenüber anderen Insekten und Konkurrenten führt zu einer exklusiven Stellung. Die Spinnen, mitunter hunderte pro Baum, nisten in den basalen Blattteilen, wo die „Kontrolldichte“ der Ameisen signifikant geringer ist. Und sie haben Strategien entwickelt, wie sie an die Belt’schen Körperchen gelangen, ohne die Ameisen allzu sehr zu verärgern, die wohl zum Teil recht individuell ausgeprägt sein können. Leider sind die Autoren in der gerade zweiseitigen Publikation in Current Biology nicht näher darauf eingegangen, obwohl sie die Art acht Jahre lang beobachtet haben, und auch danach nichts mehr dazu veröffentlicht haben. Immerhin haben sie die Belt’schen Körperchen analysiert und herausgefunden, dass sie alles das enthalten, was Spinnen üblicherweise mit der tierischen Beute zu sich nehmen.
Für die beiden neuen Arten gibt es fast keine Hinweise. B. motagua wurde bevorzugt in der Nähe von Vachellia-Bäumen gefunden, so dass die Wissenschaftlicher die vage Vermutung äußerten, sie könnte eventuell ebenfalls eine ähnliche Ernährungsstrategie entwickelt wie B. kiplingi haben. Für B. laselva haben sie alles offen gelassen. Ich habe das Männchen in der Region um den Vulkan Arenal gefunden, allerdings nicht auf einem Akazien-, sondern auf einem Bananen-Gewächs; Akazien wachsen in der Umgebung aber auch.
Leider hat es nach der sensationellen Entdeckung und der Gattungsrevision 2013 keine weiteren Untersuchungen gegeben, lediglich in einer Dissertation von 2017 ist Bagheera stärker in den Fokus gerückt worden, ohne jedoch neue Erkenntnisse zu liefern. Dabei war in einer „Meldung“ (Dispatch) im selben Band von Current Biology schon nahe gelegt worden, dass man mit der weiteren Forschung über die Bagheera-Arten viel Licht in das Dunkel evolutiver Entwicklungswege bringen könne. Schade eigentlich …

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