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Die Geschichte vom sich selbst besamenden orangen Stiefmütterleinsenf

Die Geschichte vom sich selbst besamenden orangen Stiefmütterleinsenf

Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Die Geschichte vom sich selbst besamenden orangen Stiefmütterleinsenf

Isemarkt 6. März 2012




Da man durchaus Fisch mit Fleisch ummanteln kann, kann man auch Fleisch mit Fisch verschanteln. Verschanteln nicht verschandeln. Das Wort verschanteln ist erfunden, damit der Reim sauberer ist oder daherkommt, je nach dem, wie man will oder möchte.

Wie dem auch sei.

Ich überlegte mir, wie man Wienerle in 3cm lange Stückchen geschnitten mit Räucherlachs verschantelt, vielleicht sogar mit Graved Lachs, da ist dann schon eine süße Dillsenfsauce dabei. Aber ich bevorzuge ja im Allgemeinen den sich selbst besamenden orangen Stiefmütterleinsenf, dieser Senf, welcher in großen Gefäßen auf Tischen neben künstlich lächelnden Stiefmütterleins steht und es gibt Wurst dazu und Kaffee. Bohnenkaffee. Bohnenkaffee ist auch so ein lustiges Wort von früher, über das man sehr herzlich lachen kann, wenn man möchte.

Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr schlafe ich schlecht, wenn ich Speisen kreiere, eigentlich ja ausdenke. Ausgedacht und um den Schlaf gebracht. Das liegt auch daran, dass eine relativ einfache Speise wie verschantelte Wienerlehappen mit Wildlachs unter Umständen von tiefster Grausamkeit dem Esser gegenüber sein können.

Die Sache ist ja so. Mein bestes Gulasch ist mir mit zwanzig gelungen. Ich hatte nur ein geringes Wissen über das Gulaschkompendium damals. Ich wusste Fleisch, ich wusste Penny um die Ecke und Spar und die Sache mit Rosenpaprika und lange schmoren und ein bis zwei ungarische Hintergründe in der Familie und meine Eltern zu Besuch. Daher natürlich Salzkartoffeln dazu. Klar, denn durch die Sellerie – Orangensuppe habe ich sie vorher schon durchgeschickt und rücksichtsvoll auf einen Teelöffel Kurkuma verzichtet, weil ich ja nicht so bin. Dafür fand ich dann aber noch zwingenden Fischfond, also Kabeljauessenz, falls ihr versteht, worauf ich hinaus wollte. Nach diesem besten Gulasch aller Zeiten gelang mir nie wieder dieses Gulasch. Es war die Kombination, die Zeit, der Sonntag, der Weg vom Penny zum Spar und zu mir und die genau 16 D-Mark die das Fleisch gekostet hat. Daher habe ich eine Gulaschphobie entwickelt. Ich bin ein Gulaschbetrachter, Angucker, in jedem bürgerlichen Wirtshaus Empfehler, aber ich esse es nie, weil ich meinem damaligen Gulasch eben nicht in den Rücken fallen will.

Diese Achtung bringe ich dem sich selbst besamenden orangen Stiefmütterleinsenf wirklich nie entgegen. Ich konsumiere ihn. Aber die Vorstellung, die Wienerlehappen mit Verschantelung durch Lachs könnten einen Schuss in den Ofen werden, macht mich wirklich krank. Ich denke ich werde morgen nicht zur Arbeit gehen können deswegen.



6. März 2012


http://www.hamburgwiki.de/index.php/Isemarkt

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