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der Winter kommt ...

der Winter kommt ...

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Tore Straubhaar


Free Account, Höxter

der Winter kommt ...

Radtour Island, September 2013

Sonntag - 15. September 2013.... "Can we help you?" ... Ich liege im Gras neben der Ringstraße und döse vor mich hin... "Can we heeelp you?" Da war doch was, eine Stimme...? Ich drehe mich um. Ein Auto hat angehalten. Zwei junge Frauen sitzen darin und rufen zu mir herüber. Ich liege hinter einem großen Stein, mein Zelt steht schon seit einigen Stunden nicht mehr...

... dabei war die Nacht verhältnismäßig ruhig. Der Wind hat zwischenzeitlich auf Nord- Nordost gedreht. Mein Windschutz war einmal, ich hatte mich gegen Südwesten gewappnet. Gegen 5 Uhr am Morgen beginnt es langsam zu dämmern, der Wind frischt auf. Gegen 6 Uhr drücken einige Böen schon beträchtlich ins Zelt. Ich gucke heraus, regnen tut es nicht, und das Licht ist fantastisch. Zwischen den dunklen Wolken zeigt sich hier und da sogar blauer Himmel und die Morgensonne.

Ob ich es wohl wagen kann einmal zum Meer zu gehen, frage ich mich. Trotz des schon sehr starken Windes beschließe ich mein Zelt für ein halbes Stündchen allein zu lassen und zum Strand zu gehen. Ich überquere die Ringstraße..., es sind noch gut 500 m bis zum Meer. Meine Sachen flattern nur so im Wind, die Spitzen der umliegenden Berge haben sich über Nacht weiss gefärbt. Richtung Strand wird der Wind stärker und stärker. Immer wieder drehe ich mich um, um mich zu vergewissern, dass mein Zelt noch steht.

Ich gehe auf einige Felsen zu, die relativ dicht am Ufer stehen. Weiter komme ich nicht, der Wind pustet mich beinahe um. So schnell es geht mache ich einige Bilder..., aus der Deckung der Felsen heraus kurz aufrichten, knipseln, und dann wieder Schutz suchen. Etwas abseits der Felsen habe ich einen freien Blick über das Meer, den Fjord und die Berge in der Ferne. Es ist irre, was da Draussen schon los ist, ein Wasserwirbel jagt den nächsten..., nur schnell zurück zum Zelt.

Mein Zelt steht noch, der Platz liegt zumindest ein Bisschen geschützter, trotzdem flattert es arg im Wind.
Hmmm... denke ich, ist ja gemütlich, da koche ich mir doch einen Tee, in ein paar Stunden wird es sicher wieder ruhiger werden. Der Tee kocht und ist lecker, jedoch muss ich schon in der Windecke des Zeltes sitzen, damit es nicht nieder gedrückt wird. Ich schreibe eine Postkarte, unterbrochen von einigen Sturmböen..., dann muß ich mein Zelt etwas beherzter festhalten. Dann nehme ich mir eine zweite Postkarte vor. Diese habe ich zur Hälfte geschrieben, als ich durch eine Öffnung im Eingang sehe, wie zwei der Zeltheringe vom Sturm aus der Erde gerissen werden.

Ich muss sofort raus und die Heringe wieder befestigen, lasse im Zelt alles stehen und liegen. Kaum habe ich die Heringe im Boden versenkt, fetzt der Wind sie wieder raus. Au Backe..., die nächsten Böen krachen derart heftig ins Zelt, dass ich es nur noch mit aller Kraft festhalten kann. Ich sehe mich nach großen Felsblöcken um. Zwischen den gröbsten Böen hole ich der Reihe nach zwei ca. 50kg schwere Brocken. Spanngurte durch die Abspannschlaufen des Zelten gezogen und dann um die fetten Felsbrocken herum..., ich hoffe das hält....

Es hält nicht, immer heftiger drücken die Böen in das Zelt, die schweren Klötze werden einfach über den Boden gezogen... Sch..., Sch..., Sch... geht es mir durch den Kopf. Ich packe mir die aussen am Zelt verlaufenden Gestängebögen, halte mit aller Kraft gegen den Sturm, der immer weiter an Kraft zunimmt. Zurück ins Zelt kann ich nicht gehen..., ich würde mit Mann und Maus unter gehen. Mir wird klar, dass ich mein Zelt in den nächsten Minuten samt Inhalt verlieren werde, hinfort geblasen auf den Atlantik...

Einzige Chance ist das Zelt so schnell als möglich abzubauen und meine Sachen kompakt einzupacken. Da ein Auto..., ich winke, aber es fährt vorbei. Was soll ich nur tun? Nach einiger Zeit kommt noch ein Auto. Ich halte mit einer Hand das Zelt, winke mit der anderen. Das Auto fährt wieder vorbei. Aber ohhh, die drehen um. Zwei Männer kommen gelaufen. Die Beiden Belgier halten das Zelt, während ich so schnell es geht alles zusammen packe. Das wäre geschafft. Im Auto der Belgier ist leider überhaupt kein Platz mehr, so dass ich zurück bleibe...

In etwa 200m Entfernung, auf der anderen Seite der Ringstraße, sehe ich so eine Art Graben und beschließe dort hin zu gehen. Es ist kaum möglich mein Rad gegen diesen Sturm anzuwuchten, doch irgendwann habe ich es geschafft und komme zu dem Graben. Was von weitem etwas undefinierbar aussah, entpuppt sich als großer Stein. Und dieser Stein liegt so günstig, dass er mir einen hervorragenden Windschutz bietet, noch dazu mit Überhang. Zum Glück regnet es nicht, aber zur Not würde mir der Felsen sogar etwas Nässeschutz bieten. Ich ziehe alles über, was ich habe, wickele mich in meine Zeltunterlage, und lege mich in den Windschutz des Felsens...

... Natalia und Angelina kommen aus Spanien und Andorra. "Ist alles Ordnung, sollen wir Dich mitnehmen?", fragen sie mich. Ich meine, dass eigentlich bald der Bus mit mehr Platz kommen müsse, entscheide mich dann aber doch mit den Beiden zu fahren. Das Auto war schon vorher proppevoll, mit meinem Gepäck ist es nun noch proppevoller. Der Sturm denkt nicht daran abzunehmen, obwohl er nun schon seit Stunden bläst..., im Gegenteil, er nimmt weiter zu. Wir können nur noch durch den Kofferraum des Autos oder durch die Fenster kriechen. Eine geöffnete Tür würde vom Sturm sofort aus der Angel gerissen.

Wir machen uns auf eine halsbrecherische Autofahrt, sind ein Spielball der Sturmböen. Es ist niemand mehr unterwegs. Zum Ende des Fjordes wird es immer brutaler. Der Wind drückt das Auto nach rechts und nach links. Wenn eine Böe direkt von vorne kommt, bleiben wir stehen..., so etwas habe ich noch nie erlebt. Hoffentlich pfeffert uns eine Böe nicht einfach samt Auto in den Fjord. Zur offenen See hin geht es mit Rückenwind etwas besser...

Einmal müssen wir noch land- bzw. fjordeinwärts fahren. Hier kommen die Sturmböen mit aller Gewalt aus den Bergen. Richtung äusserer Küste wird es dann wieder etwas besser mit dem Wind von hinten, und dann sehen wir das erlösende Schild... Djúpivogur..., wir machen uns auf die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht...

eine unheimliche Ruhe...
eine unheimliche Ruhe...
Tore Straubhaar

Sonnenuntergangsspektakel ... püüüiih!
Sonnenuntergangsspektakel ... püüüiih!
Tore Straubhaar

die Nacht bei Eisetroll
die Nacht bei Eisetroll
Tore Straubhaar

eisländisch...
eisländisch...
Tore Straubhaar


Ich wünsche Euch Allen frooohe Weihnachten! Tore

Comments 24

  • Tore Straubhaar 04/01/2014 21:59

    @ Ronald,

    zu dem Zeitpunkt, als ich dieses Panorama genknipselt hatte, war der Sturm noch nicht da, sogar mein Zelt stand noch. Das waren nur die Vorboten, ich wusste noch nicht, was da auf mich zukommen wird. Als der Sturm dann da war, hätte ich an dieser Stelle nicht mehr stehen können...

    Danke und viele Grüße von Tore
  • RonaldJ 04/01/2014 20:26

    Man o Mann, welch ein Erlebnis. Ich bewundere die Tatsache, dass die da noch die Zeit und Muße blieb, um solch ein überragendes Panorama zu knipsen. Dieses Bild könnte die Kräfte der Natur nicht besser dokumentieren. Nur gut, dass die Geschichte ein positives Ende hatte.
    Viele Grüße
    Ronald
  • Stephan.Mertens 02/01/2014 13:36

    Hej Tore,
    unglaublich (und) spannend zu lesen, dein Bericht zum Bild. Das harmoniert hier wieder super.
    Das Bild allein strahl schon eine Menge Dramatik aus, schön, dass der Himmel sich dabei nicht in einem Einheitsgrau präsentiert, sondern selbst so kontrastreich ist und dem Licht auch noch eine Chance gab :)

    Ein frohes neues Jahr 2014 dir. Und dass du auch in Zukunft bei solchen Stürmen mit beiden Beinen auf dem Boden bleibst :)
    Stephan
  • Andreas Hinzer 27/12/2013 8:51

    Brutal gut !!!!!

    Kerniges 2014 wünsch ich dir Tore

    LG Andreas
  • Doreen A. 25/12/2013 23:44

    Mensch Tore, Du findest im wichtigsten Moment immer einen oder mehrere rettende Engel. Zum Glück!!!
    Die Sturmböen knallen mit einer unheimlichen Wucht ins Meer jhinein, das zeigst Du mit Deinem Bild sehr gut!
    Super Aufnahme und wieder einer spannende Geschichte!
    Danke dafür!
    Genieße auch den zweiten Weihnachtstag mit Deiner Familie!
    L.Gr. Doreen
  • Stefan Johannsen 24/12/2013 22:04

    Hallo Tore,
    spektakulärer Winterbeginn mit packenden Erlebnissen. Wie gut das Du jetzt in aller Ruhe das Weihnachtsfest genießen kannst. Wünsche Dir schöne Feiertage...
    Gruß
    stefan
  • Nord 24/12/2013 17:37

    Deine Ausführungen sind wirklich atemberaubend, die Aufnahmen absolut fantastisch. Na denn erstmal geruhsame Feiertage!
    Gruß Nord
  • gjm 24/12/2013 13:55

    Mein lieber Tore, was sind wir froh, dass du das Alles so gut überstanden hast und wir an deinen geschriebenen und ebenso herrlich fotografierten Erlebnissen-nein , es sind schon Abenteuern teilhaben dürfen. Grandios!!!
    Wenn du jemals wirklich ein Buch heraus bringst, muss ich mir unbedingt ein Exemplar erwerben.
    Ich wünsche dir eine gesegnete und vor Allem ruhige Weihnacht. GLG Gary
  • JensBachmann 24/12/2013 11:03

    Hi Tore.
    Großartiges Bild und eine eindrucksvolle Erzählung dazu!
    LG und frohes Fest.
    Jens
  • Skandinavienfreund 24/12/2013 9:12

    Hallo Tore....
    Frohe Weihnacht!
    Hammerbild, auch wenn ich die Natur am Liebsten auch mal ganz sanft mag....
    Stark jedenfalls....auch deine Beschreibung.
    Gute Feiertage
    Steffen
  • Maria-L. Müller 24/12/2013 9:02

    Danke,dir auch ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute für 2014.
    VG Maria
  • Christiane Steinicke 24/12/2013 8:51

    Wer eine Reise tut, der kann was erzählen. Deine Berichte sind sehr bildhaft und man leidet richtig mit und ist erleichtert, wenn zum Schluss alles gut gegangen ist. Ich wünsche dir auch für das neue Jahr, dass das Glück dir hold ist, lieber Tore, damit wir noch mehr deiner Geschichten erfahren können.
    Alles liebe für dich, schöne Feiertage!
    Christiane
  • D-P Photography 24/12/2013 8:41

    Deine Texte machen Deine Bilder sehr lebendig, fast schon greifbar. Ich habe jedes Mal das Gefühl, wieder dort zu sein, Danke Tore!

    Da hast Du ja wirklich eine mehr als eindrucksvolle Reise hinter Dir, die sich sicherlich für sehr lange Zeit eingeprägt hat.

    Die Wasserwirbel auf dem Fjord sprechen ihre Sprache, Island kann so wunderschön sein, aber manchmal auch so rau, wild und erbarmungslos.

    Ich wünsche Dir ebenfalls ein frohes Fest!

    Dennis
  • Annette He 24/12/2013 8:32

    Ein bedrohlicher Himmel, der wunderbar spekatkulär aussieht.
    Lieber Tore, ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein wunderbares Weihnachtsfest und ein glückliches 2014.

    Gruß,
    Annette
  • Ralf Bolte 23/12/2013 23:34

    Eine mehr als spannende Geschichte, gott sei dank ist sie halbwegs gut für dich ausgegangen. Da hört dann der Spaß wirklich auf.
    Ein Buch mit Deinen Erlebnissen würde ich ebenfalls kaufen:-)
    Wünsche Dir auch frohe Weihnachten!
    vg Ralf