Back to list
Das Spitzbergen-Projekt [Nr.3] "Nachts,... wenn ich friere"

Das Spitzbergen-Projekt [Nr.3] "Nachts,... wenn ich friere"

17,015 81 Gallery

Torsten Kühn


Free Account, Dresden

Das Spitzbergen-Projekt [Nr.3] "Nachts,... wenn ich friere"

Intro:

Das Spitzbergen-Projekt [Nr.1] "INTRO"
Das Spitzbergen-Projekt [Nr.1] "INTRO"
Torsten Kühn


Am Ende der Westküste, unweit vom Akselsund. Vor einer Stunde noch grüne Wiese, jetzt beginnt das Schneetreiben. Zum Titel: anstatt einer langen Erklärung, lest meinen "offenen" Brief an den Schlafsackhersteller A...
...sowas schreibt man, wenn man frieren wach ist ;-)

"An A... Deutschland Kap Linne, den 23.08.96

Frostige Grüße aus Spitzbergen sendet Ihnen Torsten Kühn.
Es ist der 23. August und eigentlich sollte dieses sommerliche Datum mich freudig stimmen und wenigstens mein Herz erwärmen. Mitnichten!
Am Kap Martin mich befindend, jenseits des 77 Breitengrades, also doch recht nördlich, fallen gerade die ersten Schneeflocken und mit ihnen die Temperaturen unter 0 °C. Doch auch dies ist nicht der Grund für mein erfrorenes Lächeln! Eher die Tatsache, daß ich werbenden Worten und einem althergebrachtem Firmennamen vertraute.
Mit diesem Vertrauen gefestigt, ließ ich mich im Oktober 1994 zum Kauf Ihres "A...-Kompakt-Super"; verleiten. "Kompakt" bedeutet stattliche 2 kg und "Super" war der Preis. Diese eindeutige Zeichen der Warnung zurückweisend, oh ich Törichter, gab ich mein schwer erarbeitetes Geld zum Tausche.
Im Sommer 1995 ward mein "Kompakt-Super" treuer Begleiter im kalten Sibirien (Kamtschatka). Auch über Neujahr im verschneiten Schweden wärmte er mich und bei kleinen Touren in Wald und Heide.
Seinem aufbäumendem Wesen nachgebend, entfernte ich aus der Stätte seiner Lagerung zwei Zwischenböden, so daß er sich als immense Rolle voll entfalten konnte. Da ich später auch noch einige Ausgehkleider erwarb, ward es eng im Kleiderschranke meiner Kade. Der schläfrige Sack wich den Gewändern und nahm die recht oft freie rechte Stelle in meinem Junggesellenbett ein. Treu und brav lag er so manche frostige Nacht neben mir, während ich unter einer Decke fror statt seiner verlockendem Wärme nachzugeben. Ich sparte mir seine Dienste auf für ferne Lande ,die ich zu bereisen dachte.
Oh welch Irrtum erlag ich in meiner Jugend! Mein Busen möchte beben beim Gedenken dieses Fehlweges! Das Spektakulum nimmt seinen Lauf.
Als würde der winterliche Fichtelberg nicht Genüge tun, nein- Spitzbergen ward das Ziel meines diesjährigen Sommerurlaubes. Mit Hilfe der modernsten Erfindungen der Technik- dem dampfgetriebenem Eisenpferde und dem Aeroplan- kamen wir am Bestimmungsort an. Wie die Pioniere der ersten Stunde: mit geschärftem Blicke und Drang zu kühnen Taten. Mit unserer Ausrüstung im Rucksack durchstiegen wir manch Tale, erklommen manch Gipfel und kreuzten Schneefelder und Gletscher.
Meine Freunde registrierten mit wachsender Unruhe eine Art von Unausgeschlafenheit meinerseits, die jedoch nicht von der steten Mitternachtssonne kam, sondern Tribut eines steigenden Kälteeinbruches in meinen Schlafsack war. Mit einer Decke, aus einer Nothütte entwendet, die ich einer Zeremonie gleich allabendlich um meinen ausgekühlten Leib schlang und mit Spannbändern befestigte, ruhte ich nun in meinem "Kompakt-Super"..
Mit dieser Methode lag ich mehr gefesselt als erholend und wäre im Falle eines Eisbärenangriffes doch recht hilflos gewesen. Diese rettende und zugleich fürchterlich kratzende Kamelhaardecke ward liebevoll "A...-Nansen-Klassik" genannt, im Gedenken an den großen Forscher und Pionier Fridtjof Nansen. Doch zurück, ich schweife ab.
Was bewegte meinen Schlafsack nach nicht ganz zwei Jahren, unter strengster Einhaltung der Lagerbedingungen, seinen "Loft" aufzugeben und flach nun vor mir zu liegen? Ging seine Bauschkraft beim ungehinderten Entfalten im Schrank und auf dem Bett verloren? Übernahm er sich bei dieser Lagerung?
Das Wärmeempfinden subjektiv ist versteht sich, doch zogen es meine beiden Freunde nach einigen Testversuchen vor, ihre nunmehr ausgekühlten Leiber in ihren Markenschlafsäcken zu erwärmen!
Spätere Testmessungen ergaben Nachttemperaturen zwischen -3 und +3 ° C , also ein fast lächerliche Bereich für die im Prospekt angegebenen Komfortwerte.
Sehr enttäuscht von der Langlebigkeit Ihres Produktes und durch ständige Unterkühlung verärgert, hoffe ich nun auf wärmende Worte ihrerseits.
Da ich dennoch Vertrauen in die Solidität Ihrer Firma habe, gedenke ich vor Einbruch des Winters wieder einen Schlafsack aus dem Hause A... zu erwerben, mit ähnlichen Werten im Temperatur- und Maßbereich.
Ich hoffe auf baldige Nachricht und verbleibe mit derzeit frostigem Lächeln und dennoch Wärme im Herzen .

Ihr Torsten Kühn"

PS.: A... handelt und tauschte schnell und unkompliziert ;-)

Comments 81

Information

Section
Folders [Galerie]
Views 17,015
Published
Language
License

Awards

Gallery (Travel)
16/10/2005 157 Pro / 62 Contra

Appreciated by

Public favourites