Sabine Streckies 02


Premium (World), Offenbach am Main und Weilrod im Weiltal

Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 06

Veranstaltung in Lübeck „ …. zum Gedenken an die Vorgänge um die Flüchtlingsrettung der Cap Anamur im Sommer 2004 und ihre rechtlichen und politischen Folgen.
Am 20. Juni 2004 rettete die „Cap Anamur“ 37 größtenteils aus dem Sudan stammende Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. In Italien wurden Kapitän Stefan Schmidt und „Cap Anamur“- Chef Elias Bierdel angeklagt.
36 der Geretteten wurden sofort abgeschoben.“
http://www.frsh.de/aktuell/presseerklaerungen/presseerklaerungen-suchresultate/article/menschenrechte-in-seenot-10-jahre-cap-anamur/

Hier die Reportage des wunderbaren Karl Hoffmann auf WDR 5 – beim unten angegebenen Link befindet sich ein Audio, über das man den nachfolgenden Text nachhören kann:

„Der Fall Cap Anamur- 10 Jahre danach: Ein vergeudetes Jahrzehnt?

Von Karl Hoffmann
Am 20. Juni 2004 hatte das deutsche Flüchtlings-Rettungsschiff Cap Anamur ein Schlauchboot mit 37 Afrikanern an Bord im Kanal von Sizilien aufgebracht. Ein dreiwöchiges Tauziehen mit den italienischen und deutschen Behörden begann.
Schon zwei Wochen lang war das deutsche Rettungsschiff Cap Anamur mit den 37 geretteten Afrikanern zwischen Afrika und Europa unterwegs, bis ich schließlich hart an den italienischen Hoheitsgewässern, 12 Meilen vor Sizilien auf das 89 Meter lange ehemalige Containerschiff gelangte. Es folgten dramatische Tage in denen der damalige Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel per Satellitentelefon erfolglos mit den italienischen Behörden verhandelte: Die geretteten Afrikaner durften in Sizilien nicht an Land. Unter Deck spielten sich vor meinen Augen dramatische Szenen ab. Die Afrikaner waren vom langen Warten - sie waren am 20. Juni gerettet worden - zermürbt und drohten, sich über Bord zu werfen. Am 10.Juli entschloss sich Kapitän Stefan Schmidt zum Handeln: "Wir sind jetzt anderthalb Meilen vor der Einfahrt und wenn der Lotse nicht gleich kommt dann fahr ich ohne den Lotsen rein, weil das ist kein schwieriges Revier hier, das ist einfach nur einmal um die Ecke fahren an die Pier, weil wir eben einen Notfall haben kann ich gar nicht anders entscheiden." Auf meine Frage, ob ihm so etwas schon einmal passiert sei, verneinte er; er hoffe auch nicht noch einmal.

Beschlagnahmung der Cap-Anamur: Flüchtlinge werden abgeschoben
Kapitän Schmidts Wunsch ging in Erfüllung, aber anders als wir alle auf dem Schiff vermutet hätten. Kaum an Land wurden der Kapitän, der 2. Offizier und Cap- Anamur-Chef Elias Bierdel verhaftet, wegen angeblicher Beihilfe zur illegalen Einreise. Die 37 Immigranten wurden gnadenlos abgeschoben. Vom Flughafen in Rom rief mich Sylvester Okopu, dem ich noch auf dem Schiff meine Nummer gegeben hatte, verzweifelt an und teilte mir mit, dass dort etwas im Gange sei. Ein paar von ihnen seien schon weggebracht worden, niemand wisse wohin.
Sylvester landete – malariakrank und halbverhungert - nach seiner Zwangsrückkehr in Ghana im Gefängnis. Noch jahrelang verfolgte ich seinen Leidensweg. In Sizilien wurde die Cap Anamur beschlagnahmt. Innerhalb von 24 Stunden musste die Besatzung das Schiff räumen, Schiffsmaat Mike Bratzke war fassungslos: "Da wird einfach der Strom abgeschaltet, dann liegt es da und aus so einem lebensrettenden Schiff wird ein Geisterschiff. Da ist der Fliegende Holländer ja noch ein Märchen mit gutem Ausgang dagegen."

Kapitän Schmidt hatte richtig gehandelt
Vor dem Untersuchungsgefängnis von Agrigent gab es Proteste gegen die Verhaftung der Cap-Anamur-Leute. Wenige Tage später kamen sie vorläufig frei. Auf die Rehabilitierung dagegen mussten sie geschlagene fünf Jahre warten. Im Oktober 2009 stellte das Amtsgericht in Agrigent fest, dass Kapitän Schmidt richtig gehandelt habe. Die Rettung von Menschen auf hoher See könne niemals strafbar sein. Und Kapitän Schmidt freute sich: "Ein Freispruch erster Klasse, erwartet hatte ich das nicht, aber …grazie".
Die dramatischen Folgen der missglückten Rettungsfahrt der Cap Anamur vor zehn Jahren wurden dadurch allerdings nicht gemildert. Die Beschlagnahmung des Schiffes diente als abschreckendes Beispiel. Viele Immigranten haben mir später berichtet, dass Schiffe um ihre havarierten Boote einen Bogen gemacht hätten, wohl aus Angst vor Scherereien mit geretteten Flüchtlingen an Bord.

"Ich werde garantiert wieder Menschen retten"
Der türkische Kapitän Asyk Tuygun, bildete eine rühmliche Ausnahme. Ich erreichte ihn 2009 auf seinem Frachter Pinar in stürmischer See südlich von Lampedusa. Er hatte 141 Immigranten an Bord, darunter eine ertrunkene Frau unter einer Plastikplane am Heck. Tagelang trieb die Pinar vor der Küste und durfte nicht in Italien anlegen. Aber Kapitän Tuygung ließ sich nicht entmutigen. "Ich werde garantiert wieder Menschen retten, wenn das nötig ist. Denn ich bin doch auch ein Mensch. Da bleibt mir gar nichts anderes übrig. Ich bin jederzeit bereit diesen Job genauso zu wiederholen."
Als die Behörden erfuhren, dass ein Journalist an Bord gegangen war, lenkten sie sofort ein.
Heute, zehn Jahre nach der Cap Anamur, werden Menschen endlich systematisch aus Seenot gerettet von der Marine, von Frachtern und Fischerbooten, so wie es den Regeln der Menschlichkeit entspricht. Zehn Jahre zu spät – für möglicherweise Tausende von Migranten, die die Überfahrt nicht überlebt haben.
Stand: 18.06.2014, 14.58 Uhr”
http://www.wdr5.de/sendungen/morgenecho/capanamur100.html

Zu den Fotos:

Die erste Aufnahme zeigt einen Hinweis auf die Veranstaltungen am Marktplatz und in der St. Jakobi Kirche in Lübeck.

Das zweite Foto zeigt eine von mehreren szenischen Lesungen zur schrecklichen Geschichte der Cap Anamur und der mit ihr verbundenen. Menschen auf dem Lübecker Marktplatz – vorgetragen von engagierten jungen Leuten und dem Flüchtlingsrat Schleswig - Holstein.

Das dritte Bild zeigt den ehemaligen Ministerpräsidenten von SH, Björn Engholm, bei seiner Rede zum Auftakt der Gedenkveranstaltung in der St. Jakobi Kirche.

Das vierte Foto zeigt den Pastor der St. Jakobi Kirche, Lutz Jedeck.
http://www.st-jakobi-luebeck.de/

Auf dem fünften Bild Aminu Munkaila, einer der Dank der Verantwortlichen der Cap Anamur 2004 Geretteten bei seiner Rede in der St. Jakobi Kirche.
Bei tagesschau.de kann man ein sehr interessantes Interview mit ihm nachlesen:
http://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-ghana-100.html

Auf dem sechsten Foto Gergishu Yohannes, deren Bruder im Mittelmeer umgekommen ist und die sich seit vielen Jahren für Flüchtlinge engagiert.
http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/gergishu_yohannes_erhaelt_den_menschenrechtspreis_der_stiftung_pro_asyl/

Die siebte Aufnahme zeigt Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche und Elias Bierdel von der Hilfsorganisation borderline europe.
http://www.borderline-europe.de/

Das achte Foto zeigt eine der beeindruckenden Skulpturen des dänischen Künstlers Jens Galschiøt vor der St. Jakobi Kirche.


Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 01
Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 01
Sabine Streckies 02

Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 02
Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 02
Sabine Streckies 02

Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 03
Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 03
Sabine Streckies 02

Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 04
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Sabine Streckies 02

Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 05
Lübeck: 10 Jahre Cap Anamur 05
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Lübeck, 20.06.14.
Nikon D300, Nikkor AF S 2.8/70-200 VR, aus der Hand.

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