More comments
  • verocain 04/04/2024 10:30

    Da hat dein Mann natürlich vollkommen recht. Das ist auch meine Meinung, allerdings würde ich die darum erweitern, dass der Inder im Slum auch der falsche Ansprechpartner ist. Die Tatsache, dass man mit jemandem nicht über bestimmte Dinge diskutieren kann, ist ja nicht gleichbedeutend damit, dass auch das dessen Meinung immer bei Entscheidungen zu berücksichtigen ist. so kommt man ja nie weiter. auch in einer Demokratie herrscht keine uneingeschränkte Mitbestimmung bzw. muss jeder angehört und "mitgenommen" werden.

    Mit den Einwohnern von Upahl kannst du auch nicht über Fremdenfeindlichkeit diskutieren, was aber ja nicht zur Folge haben kann, dass die Flüchtlingsunterunft nun in Duisburg-Marxloh gebaut wird, nur weil ein paar Mitbürger ihren offenen Rassismus als Angst tarnen und sich nicht "angehört" fühlen. 

    Das ist immer alles relativ uns eine Frage der Sichtweise. Auch hinsichtlich arm und reich. Es gibt da keine absoluten Maßstäbe.
    Das einzige, woran man das irgendwie festmachen kann ist das BIP pro Kopf und anhand dessen erstmal ausmachen, wer wieviel drunter und wer wie viel drüber liegt.
    Und da sich in den westlichen Gesellschaften zeigt, dass es wenige Leute, die so immens "über" dem BIP liegen, sollte man diese Auffordern einen finanziellen Beitrag zu leisten. In dieser Hinsicht bin ich nunmal nicht vollkommen neo-liberal. Da gibt es Leute, die andere Meinungen haben, mit denen darüber auch nicht zu diskutieren ist.
    Was ich kritisiere ist lediglich, dass Sozialneid in dieser Gesellschaft absolut hoffähig ist, während Menschen mit wirklich obszönen Einkommen und Vermögen als Stars und Helden gefeiert werden.  

    Außerdem bin ich der persönlichen Meinung, dass Reichtum etwas ist, dass sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt, von denen Geld sicher ein wichtiger ist, aber bei weitem nicht der einzige. Auf die Mischung kommt es an - denn nicht umsonst klagen viele reiche Menschen über Stress und dass sie zu wenig Zeit haben und haben Wehwehchen, die man in unteren Einkommens- und Vermögensgruppierungen eher seltener antrifft.

    Tatsächlich spielt bei der Frage nach Reichtum das einkommen auch weniger einer Rolle als das Vermögen. In einer kapitalistischen Gesellschaft - und das sind nunmal ALLE westlichen, so genannten reichen Länder, spielt - wie das Wort schon sagt - das Kapital eine Rolle. Ein sehr weites, sehr schwieriges Thema, das man durchaus ambivalent sehen kann.
    Wie an anderer Stelle schon mal geschrieben habe ich da eine sehr zwiespältige Ansicht, die auch durchaus von einer gewissen Doppelmoral gekennzeichnet ist. Das finde ich aber nicht schlecht, sonst hätte ich sie ja nicht ;-)
  • Anette Z. 04/04/2024 10:42

    Naja ... mit dem Inder im Slum solltest du aber vielleicht mal darüber diskutieren, wie er an sein Essen kommt, wenn du verbietest, dass er alte Computer von der Müllhalde sammelt und an den Typen um die Ecke vertickt, der mit hochgiftigen Chemikalien die seltenen Erden herauswäscht. Weil solche Dinge auch zu unseren Umweltproblemen gehören und von der Umweltpolitik gerne mal ignoriert werden.

    Und wenn die Umweltschützer das unterbinden, müssen sie sich Gedanken darüber machen, wenn all die Leute verhungern, die damit ihren Lebensunterhalt verdient haben. Weil das Leben nun mal nicht einfach ist.

    Oder man muss sich Gedanken darüber machen, dass es nicht reicht, Geburtenkontrolle gegen Überbevölkerung zu fordern, wenn in armen Ländern ohne Altersvorsorge die (überlebenden) Kinder die einzige Altersversicherung der Menschen sind. Da kriegen die Leute ebenso lange Kinder, bis ein paar überleben und man sicher ist, im Alter nicht hungern zu müssen. Und die Welt geht vor die Hunde.
    Oder alternativ hungern in armen Ländern ein paar Millionen Alte.

    Keine schönen Entscheidungen ... und das schwingt in dem mit, was mein Mann da gesagt hat. Ist aber ein ganz anderes Thema.
  • Anette Z. 04/04/2024 10:43

    Oder anders ausgedrückt: Moral kann man sich halt nur so weit leisten, wie man sie bezahlen kann ... und wer seine Moralvorstellungen nur an der eigenen Lebenswirklichkeit misst, verhält sich naiv.
  • verocain 04/04/2024 12:02

    Da hast du recht. Zum überlebenswillen insgesamt gehört nunmal meiner Meinung nach auch ein gesunder selbstgerechter Egoismus. Und oft ist es ein Abwägungsprozess. Wie du sagst : keine schönen Entscheidungen , aber sie müssen getroffen werden und man nicht immer alle vorher fragen. 
    Ich bin zb auch gegen krieg und Waffen. Gleichwohl ist mir bewusst , dass krieg viele Soldaten ernährt. Und viele Menschen leben von waffen. Nein, sorry , ich kann den Inder nicht fragen, wenn es um die Zerstörung meiner Lebensgrundlagen auf diesem Planeten geht- und ich muss ihm auch nichts zu essen besorgen - das muss die Regierung seines Landes tun. 

    Soviel Selbstgerechtigkeit muss schon sein. Das lasse ich mir auch gerne vorwerfen , weil ich keine absoluten Lösungen in schwierigen Fragen anzubieten habe. 
    Alles scheint ein Prozess der Abwägung zu sein und naiv ist wahrscheinlich nur , wer an Gerechtigkeit für alle glaubt. 
    Man kann versuchen , das bestmögliche aus seiner jeweiligen Sicht zu machen. Aber eine rundum Lösung hier in Deutschland zu finden , bei der wir auch noch die Inder mitnehmen scheint mir illusorisch. 
    Denn gerade dieses Land hat Möglichkeiten genug , sich um seine eigenen Bürger zu kümmern . 

    Daran unterscheidet sich auch das Weltbild vieler Menschen . 
    Die einen meinen Rousseau hätte nur super Ideen gehabt , die anderen nicht. Ich gehöre zu letzteren - denn dazu zählt halt auch, dass mir gewisse Schlussfolgerungen der christlichen abendländischen Kultur fremd geblieben sind .