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"In Auschwitz"

"In Auschwitz"

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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

"In Auschwitz"

Gegen elf Uhr abends stoppt der Zug. Wir sind angekommen. Die Reise hat drei Tage und zwei Nächte gedauert.
Um Mitternacht befiehlt man uns auszusteigen. Die SS-Leute trennen auf der Stelle die Frauen und Kinder von den Männern, reißen uns unsere Pakete, unsere Koffer, unsere Taschen aus den Händen, stellen uns in Reihe auf der Straße auf. Wir waten im Schlamm. Schatten in „Pyjamas“ (das sind die Häftlinge des Lagers, die man zur Arbeit am Bahnhof bestimmt hat) steigen hinter uns in die Waggons, nehmen alles, was dort noch geblieben ist, und laden unsere Koffer und unsere Sachen auf Lastwagen.
Wir werden später erfahren, dass die Zahl der Männer, die das Lager erreichen, ungefähr gleich der unseren ist, 5% überlebende… Man führt uns mit einer SS Eskorte ins Lager zur „Sauna“ (Badehaus). Dort werden wir von noch unausgeschlafenen, grobschlächtigen, ordinären Mädchen empfangen, die sehr jung sind, aber schwanger zu sein scheinen (eine gängige Missbildung unter den Häftlingen). Auf ihrem linken Ärmel ist eine Kennummer eingenäht.
Es sind diese Mädchen, diese Häftlinge, die uns ausziehen, uns durchsuchen, uns tätowieren, uns unsere Ringe, unsere Uhren, unsere Taschen abnehmen, die uns nicht einmal erlauben, eine Zahnbürste zu behalten oder ein Stück Seife, auch ein Foto nicht, die uns das Haar abrasieren und uns alle nackt unter die Dusche schicken.
Nach der Dusche (kein Handtuch) kommen wir durch einen großen, kalten, eisigen Raum mit Zementboden, wo andere Mädchen jene ärmlichen Lumpen an uns verteilen, die uns fortan als Kleidung werden dienen müssen. Lappen, um unsere Füße einzuwickeln, alte, abgenutzte Schuhe, die entweder zu klein oder zu groß sind. Sie malen uns rote Kreuze auf diese armseligen Kleider – Symbol des schweren Kreuzes, das wir werden tragen müssen.
In Birkenau sind die Blöcke, in denen die Häftlinge leben, aus großen Ziegelsteinen (gefertigt aus der Asche der Verbrannten, sagen uns diejenigen, die schon lange da sind und die dieses Lager selbst errichtet haben) Wir werden auch in diesem Block von groben und grobschlächtigen Mädchen empfangen, die nichts als schreien und schlagen können und die uns buchstäblich terrorisieren.
Wir verbringen ganze Tage in diesen „Käfigen“, sitzen ganz gekrümmt (wir haben nicht das Recht, uns tagsüber auszustrecken). Man zwingt uns nur herauszusteigen, um die Arbeit der Stubowas (beauftragt mit der Reinigung des Blocks) zu erledigen, denn diese „Damen“ behaupten, schon genug im Lager gearbeitet und gelitten zu haben. All diese älteren Häftlinge meinen, dass wir zur Genüge vom Leben profitiert haben, während sie eingesperrt waren, und dass es jetzt an uns ist zu arbeiten.
Wenn ihnen danach ist, begleiten sie uns zur Toilette, wohin wir in Gruppen gehen. Dort werden wir von weiteren Polinnen ebenfalls mit Stöcken geschlagen, weil wir uns nicht trauen, uns auf die nassen und dreckigen Bretter zu setzen. Der Durchfall grassiert. Schlimm für diejenigen, die nicht einhalten können… es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihre einzige Unterhose wegzuwerfen.
Nach ein paar Tagen führt man uns zur Arbeit ab: diese besteht aus dem Bau der Straße; wir müssen Erdarbeiten verrichten oder sechs- bis siebenmal am Tag zu Fuß jeweils vier Kilometer in beide Richtungen machen und dabei jedesmal einen Stein tragen. Uns begleiten SS-Leute mit Polizeihunden, welche sich auf diejenigen unter uns stürzen, die nicht mehr gehen können, und sie zerfleischen. Das amüsiert übrigens unsere SSler sehr. Die Schreie der Unglückseligen bringen sie zum Lachen.
Wir führen alles in allem ein sehr geregeltes Leben im Lager. Wecken um 4 Uhr morgens. Wir machen unsere „Betten", das soll heissen, wir ordnen gewissenhaft unsere Strohsäcke (zwei Strohsäcke für sechs), wir legen unsere Decken zusammen, denn wir haben auch „Decken“, schmutzige und stinkende Lumpen, eine für zwei, man jagt uns um 4 Uhr dreißig aus dem Block, und draußen beginnen, egal bei welchem Wetter, die endlosen Appelle.
In Fünferreihen, ohne uns zu rühren, warten wir oft Stunden im Schnee oder im Schlamm bis zu dem Moment, wenn die deutsche SS-Frau sich herablässt, uns Zählen zu kommen. Wehe denen, die es wagen, ein Wort zu sagen, die sich umdrehen oder nicht strammstehen, wenn die SS-Frau vorbeikommt. Wehe auch denen, die ohnmächtig werden. Beim Appell muss alle Welt anwesend sein und stehen. Wir bringen diejenigen in die Senkrechte Stellung zurück, die vor Erschöpfung umfallen, damit die SS-Frau sie nicht auf dem Boden sieht. Wir werden sie wiederbeleben, wie wir können, bis der Appell beendet sein wird.

Dies ist lediglich ein kleiner Auszug aus der Buch: In Auschwitz von Sima Vaisman. Wenn man sich dieses, oder ein anderes Buch nimmt, um von diesem Ort, dieser unwirklichen Zeit zu berichten, ist es fast unmöglich, das Lagerleben kurz zu beschreiben – denn eigentlich müsste man das gesamte Buch abtippen !!!
Die Grausamkeiten, die in deutschen Konzentrationslagern, zu dieser Zeit vorherrschten, sind heutzutage für uns so gut wie unvorstellbar, sind wir doch alle in Frieden und gesittet aufgewachsen…
Ich hoffe für uns alle, dass das auch bis an unser Lebendsende so bleiben wird, natürlich wünsche ich dies auch den nachfolgenden Generationen !

Mehr:
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Original (Februar 2016)

Die Rosen von Auschwitz-Birkenau (4)
Die Rosen von Auschwitz-Birkenau (4)
Stefan Schwetje

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