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Jörg TS


Premium (Pro), Graz

Corona

April 2020

Corona
(Paul Celan)

Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt: wir sind Freunde.
Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn:
die Zeit kehrt zurück in die Schale.

Im Spiegel ist Sonntag,
im Traum wird geschlafen,
der Mund redet wahr.

Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:
wir sehen uns an,
wir sagen uns Dunkles,
wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,
wir schlafen wie Wein in den Muscheln,
wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.

Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.

Es ist Zeit.

https://www.youtube.com/watch?v=qsBC72y-S-A


Vielleicht passt das Foto jetzt nicht wirklich zu Corona, sowie es das Gedicht von Celan auf den ersten Blick eigentlich ja auch nicht tut. Der Vortrag von Caroline Peters passt jedenfalls zu Corona, somit dann doch wieder auch das Gedicht. Ich weiß, viel zu viel Text für eine fotocommunity, aber mir hilft die Fotografie, immer schon die Literatur und fehlt das Theater momentan wirklich sehr. Insofern passt es für mich dann doch alles wieder.

Comments 15

  • Michael Farnschläder 30/04/2020 15:45

    Visualisierte Trostlosigkeit
  • Gerhard Hucke 29/04/2020 23:27

    Es muss ja nicht alles eindeutig und eindimensional "passen". Das Subtile und Nachdenkliche ist oft das Bessere.
    Ich habe hier mal eine Ausnahme gemacht und den text gelesen und den Link angeklickt. Gute Wahl!
  • lophoto 29/04/2020 19:23

    Klasse Foto
  • Li.B. 29/04/2020 17:32

    Mir fehlts auch, das Besuchen von Kunst und Kultur in Innenräumen mit Publikumsverkehr. Und wenn man schon zum saufen das Dingens runterziehen muss, ziehe ich nicht mehr irgendwelche Hüte. Hüstel.
    Ein "Wutbürger" Ausbruch ;-))). Gefällt, Bild und Text.
  • Alfons Gellweiler 29/04/2020 10:44

    Die Entmündigung per Schlabberlatz wird vermutlich nachcoronale Normalität;
    ich bin da sehr zuversichtlich.

    Grüße Alfons
  • 29/04/2020 10:32

    Ein tolles Bild, das passt.
    Gruss Peter
  • fotovoltaik-sw 29/04/2020 9:51

    Das Gedicht beschreibt nahezu den Stillstand und das passt schon zu Corona und dem, was wir daraus gemacht haben. Das Bild passt, weil der Mensch allein und mit Maske sein Getränk zu sich nimmt. Für mich stimmig.
    LG Markus
  • Gerhard Körsgen 29/04/2020 9:25

    Das "coronige" wird natürlich durch den Protagonisten gelebt der zum Getränkegenuss mal eben nonchalant die Maske lüpft.
    Das Gedicht passt für mich auch gut in die Zeit, wohl unter anderem weil es einfach "zeitlos gut" ist.
    Das Foto selbst finde ich im gesamten "Paket" dagegen im Verhältnis gesehen am schlechtesten behandelt.
    Statt hier eine sowohl nivellierende als auch überdeutlich die Mitte betonende Vignette zu setzen (ja doch, der Mann ist wichtig !) hätte ich einen widescreenigeren Schnitt, also 16 : 9 oder noch schmaler/breiter und das Weglassen eben dieser Vignette lieber gesehen, es wäre beiläufiger und damit eleganter gewesen. 
    Aber nun gut, es ist kein Drama, stört dich selbst wohl nicht, andere auch nicht - aber mich.
    Hängt wohl damit zusammen dass ich das nachträgliche Setzen einer Vignette immer als gestalterischen "Offenbarungseid" betrachte. 
    Kriegst trotzdem für den Blick und einfach weil Du's bist ein Lob und ich grüße lieb.
  • Lucius Sombre 29/04/2020 8:58

    Lieber Jörg,
    das Bild gefällt mir sehr gut, auch als Ausdruck der merkwürdigen Zeit, die wir jetzt erleben: das Leben wie unter einer Firnis, an Orten, die keine Orte sind, in einer Erfahrung, in der die Zeit wie versiegelt ist, immer nur vorläufig, obwohl sie rasend schnell verfließt, in einer überstrukturierten (überschriebenen) Welt, die gerade durch die Überstrukturiertheit jede lebbare Ordnung verliert.
    Ebenso eindrucksvoll Celans Gedicht bzw. dass du es hier zu lesen und zu hören gibst. Mich führt es Jahrzehnte zurück zu meinen ersten und immer noch tiefsten Begegnungen mit Literatur. Ich weiß nicht, ob es dir auch so geht - mir zumindest scheint es "viel zu viel Text" nicht nur für eine fotocommunity. Ich habe den Eindruck, dass diese Weise, die Welt und das Selbst zu entziffern, die du für dich beschreibst, nämlich durch "Texte", einer vergehenden Zeit und Kultur angehören. Umso schöner, eine Stimme zu hören, die noch aus dieser Kultur spricht.
    Herzliche Grüße, Lucius
  • Starcad 29/04/2020 8:35

    Was passt schon zu Corona, aber auf jeden Fall ein sogar sehr gutes Bild aus dieser Zeit.
    • ShivaK 29/04/2020 8:58

      für meinen Blick passt fotografisch viel zu Corona ... Menschen alleine mit Masken, Abstandsschilder, Abgesagt-Schilder, Flatterbänder um gesperrte Spielplätze etc.
    • Starcad 29/04/2020 9:05

      Das, was Du da sagst, habe ich versucht, damit zum Ausdruck zu bringen, indem ich sagte, es sei ein Bild dieser, d.h. der jetzigen, Zeit.
    • ShivaK 29/04/2020 9:07

      ah, verstehe ... hätte mir auch von alleine klar sein können ;-)
  • ShivaK 29/04/2020 8:21

    besser kann man diese Zeit nicht fotografieren!
    Und dazu der huschende Mensch links und die kopflose Schaufensterpuppe rechts, die eingestellte Nightline und ein Überviel an Schmierereien ... exzellent auf den Punkt.

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Exif

Camera LEICA Q2
Lens SUMMILUX 1:1.7/28 ASPH.
Aperture 11
Exposure time 1/500
Focus length 28.0 mm
ISO 400

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