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Zwei von drei Teilen

Zwei von drei Teilen

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Robert Nöltner


Premium (Complete), Lörrach-Hauingen

Zwei von drei Teilen

einer Skulptur
von Bettina Eichin. Ursprünglich sollten sie als Marktplatzbrunnen auf dem Basler Marktplatz installiert werden. "In den 1980er Jahren erhielt sie den Auftrag der Firma Sandoz, zum 100-jährigen Jahrestag seit Gründung der Firma eine Skulptur zu fertigen, die dann der Stadt Basel geschenkt werden sollte. Mitten der Arbeiten kam es zu dem damals viel besprochenen Unglück auf dem Industriegelände Schweizerhalle und der folgenden Umweltkatastrophe. Eichin entschloss sich, ihr Konzept zu ändern und fertigte den zweiten Teil des Werkes Markttische mit einem Hinweis an die Katastrophe. Dadurch wurde ihr der Auftrag entzogen und das Werk konnte nur provisorisch untergebracht werden, bis es 2010 den endgültigen Standort im kleinen Kreuzgang des Basler Münsters fand." (Wikipedia)

Detail einer dreiteiligen Skulptur
Detail einer dreiteiligen Skulptur
Robert Nöltner


Comments 9

  • Daniel 19 29/03/2018 11:21

    Das Licht im Kreuzgang ist wirklich sehr schön, den Marktstand ist mir bei meinem letzten Baselbesuch auch aufgefallen. LG Daniel
  • Peter H. Braun 22/03/2018 12:21

    Das sehe ich genau so wie Ursi! Und danke an Elisabeth Schiess für diese hochinteressante Hintergrundinformation!
  • Ursula Zürcher 21/03/2018 20:20

    Du findest immer wieder neue, tolle Perspektiven um und in unserem Münster. Hier find ich auch das Licht im Hintergrund besonders schön.
    Liebe Grüsse, Ursi
  • aeschlih 21/03/2018 10:19

    Interessant dokumentierst du...
    LG Hilde
  • Elisabeth Schiess 21/03/2018 8:32

    sehr schön mit dem Licht im Hintergrund!
    • Elisabeth Schiess 21/03/2018 11:15

      wer es lesen will, das Interview: "Die Figur Helvetia hat das Zweifrankenstück verlassen und sie schaut vom Zuschauer abgewendet sehr nachdenklich rheinabwärts. Hinter ihr sind Schild und Speer, aber auch ein Koffer. Gab es keine Reaktionen wie bei der Weltausstellung in Sevilla 1992, als man an die Wand malte: „La Suisse n’éxiste pas.“ Gerade Menschen, die sich damals daran gestossen haben, könnten denken, die Helvetia wolle sich von der Schweiz abwenden?

      (Lacht) Nein, auf die Idee kam damals noch niemand. Erst später bin ich mit einer merkwürdigen Aussage konfrontiert worden. 1986 feierte die Sandoz A.G. ihr 100 Jahr-Jubiläum. Sie hatte bei mir einen Marktplatzbrunnen als Geschenk für die Stadt Basel bestellt. Daran arbeitete ich, als die Brandkatastrophe von Schweizerhalle die Region Basel aufschreckte und erschütterte, Gift in den Rhein floss und der Name Sandoz in aller Munde war. Versuchen Sie sich vorzustellen, in welch schwieriger Lage ich war: Auf der einen Seite des Rheins sass meine „Helvetia auf der Reise“. Sie wurde Tag und Nacht, monatelang mit Blumen, Kerzen, Transparenten und anderen Attributen zum Treffpunkt und Symbol der Trauer und des Zorns. Auf der anderen Seite des Rheins, für den Marktplatz, das politische Zentrum, arbeitete ich an einem Trinkwasserbrunnen, im Auftrag der Sandoz A.G. Damals schrammte der Grossraum Basel an einer noch grösseren Katastrophe vorbei – in der Nähe des Brandherdes waren Chlorgas, Phosgen und andere giftige Ungetüme gelagert. Die mussten mit einem monumentalen Wasservorhang geschützt werden. Dieses Löschwasser vergiftete mangels Auffangbecken den ganzen Rhein bis Holland. Wegen des Marktplatzbrunnens kamen nach der Brandkatastrophe zwei Direktoren der Sandoz A.G. zu mir in die Werkstatt. Sie waren gezeichnet von der Katastrophe und es ging ihnen sehr schlecht. Für mich als Chronistin war es selbstverständlich, dass ich diese Katastrophe, die für Basel ein Kulturschock war, im Werk Marktplatzbrunnen berücksichtige und ein Bild dafür finde. Sie gewährten mir Zeit zum Nachdenken und jede künstlerische Freiheit. Ein Jahr später ging es ihnen besser. Die Sandoz A.G. brillierte mit besten Geschäftszahlen und die Herren erwarteten von mir einen unverfänglichen, hübschen Brunnen auf dem Marktplatz, etwas, wie sie sagten, „Nettes wie die Helvetia auf der Mittleren Brücke“, die sie jedem ausländischen Gast zeigen. Ich schilderte ihnen, was die Helvetia bedeutet und aussagt. Sie steigt aus der Festprägung der Münze, also des Geldes, aus, ist unterwegs, um sich müde, nachdenklich und abgewandt auf ihrem Sockel auszuruhen – Eigenschaften, die an Frauen nicht geschätzt werden. Sie schaut rheinabwärts zur Chemie und über die Grenzen. Sie hat abgerüstet und ihre Hoheitssymbole hinter sich abgelegt, der Koffer ist ein Hinweis auf ihr „Unterwegssein“, auf ein Jahrhundert Kofferpacken, Flucht und Aufbruch. Die beiden Herren waren über meine Ausführungen entsetzt. Einer meinte gar, das sei „staatszersetzend“.

      Nach dem Brand von Schweizerhalle setzten sich Chemiekonzerne mit Umweltverbänden an einen Tisch, die Umweltminister der Rheinanliegerländer beschlossen nach Jahren der Uneinigkeit Massnahmen für die Sanierung des Rheins, die Politik rang um schärfere Gesetze, um solche Unfälle in Zukunft zu verhindern. Während der Markttisch auf der einen Seite des Brunnens mit Gemüse, Früchten, Blumen unverändert blieb, wurde der zweite Tisch ein Symbol für das Aushandeln von Verbesserungen und für eine neue Ära der gemeinsamen Verantwortung. Ich räumte den Tisch ab und machte tabula rasa. Der Tisch wurde so frei und Symbol für Neues und Konstruktives. Auf die Holzstruktur des Bronzetisches wollte ich das Datum des Unglücks schreiben: „z.B. „Basel, 1. Nov. 1986, 00.19 h“. Das ist der Titel des heutigen Werkes im Kreuzgang des Basler Münsters, wo die Tische heute stehen. Das hatte zur Folge, dass mir wegen der Nennung des Datums kurz darauf der Auftrag entzogen wurde. Die Stadt Basel musste der Sandoz A.G. zusichern, dass dieser Brunnen auch nicht privat finanziert auf den Markplatz kommt und nahm ein anderes Geschenk in Empfang, ein Bild von Félix Vallotton, das eine Frau mit nacktem Oberkörper und mit ihren Händen auf dem Rücken zeigt. Zensur von Kunst im Öffentlichen Raum durch einen Konzern in einem demokratischen Land? In Basel passte das. Ich hatte keinen Auftrag mehr, keinen Standort und den grossen, eigens für den Brunnentrog gebrochenen Jurakalk verkaufte die Sandoz A.G. sofort nach dem Entzug des Auftrags weiter.

      Sie haben die beiden Tische dann aber trotzdem fertiggestellt. Sie können heute im Kreuzgang des Basler Münsters betrachtet werden…

      Ich wollte die begonnene Arbeit an den Tischen als grosses Stillleben beenden. Ich musste die Katastrophe, die mich auch gesundheitlich aus der Bahn geworfen hatte, verarbeiten. Dafür brauchte und suchte ich einen Ort. Im Gedicht „Die Vergänglichkeit“ von Johann Peter Hebel, in dem die Apokalypse, das grosse Feuer an der Topografie von Basel grauslich geschildert wird und auch der Kreuzgang vom Basler Münster vorkommt, fand ich meinen Ort. Ich schrieb dieses wunderbare, lange Gedicht auf die Tischplatte. Zu diesem Tisch gehörte schon im ersten Entwurf für den Marktplatzbrunnen eine Trommel mit der Maske und dem Mantel des Basler Todes. Im Kreuzgang ruft sie zusammen mit den zahlreichen Grabzeichen an den Wänden leise zum Totentanz. Zusammen mit dem anderen Tisch, dem Markttisch mit Gemüse, Früchten und Blumen, bilden die beiden Tische im kleinen Kreuzgang seit 1991 ein Ensemble - ein „Memento“ für die Bewahrung der Schöpfung. Damit das Werk damals gegossen werden konnte, wurden mit Hilfe der nach Schweizerhalle gegründeten „Oekostadt Basel“ 100 nummerierte und signierte kleine Bronzeobjekte mit einer Malve vom Markttisch innerhalb weniger Tage verkauft. Damit waren die Gusskosten gesichert. Es dauerte dann fast ein Jahr, bis der Kirchenrat das Aufstellen der beiden Tische erlaubte. Die Denkmalpflege war über die Tische inmitten spätgotischer Architektur nicht „amused“, liess das Aufstellen der Tische dann aber doch unter gewissen Bedingungen zu. Die Tische gehören noch mir und ich wünsche mir, dass sie im Kreuzgang, für den sie geschaffen wurden, bleiben können. Ein Gönnerverein, der die Tische der Basler Bevölkerung schenken möchte, will mir die Tische abkaufen und sammelt seit zwei Jahren Geld. Die Übergabe findet am 1. Dezember 2010 im Kreuzgang statt, im 250. Geburtsjahr des Dichters und Aufklärers J.P. Hebel."
    • Robert Nöltner 21/03/2018 11:39

      Vielen Dank, Elisabeth
    • Daniel 19 29/03/2018 11:22

      Das ist sehr interessant Elisabeth. LG Daniel
    • Evelyne Sonanini 04/10/2019 13:00

      Danke Elisabeth, jetzt erst gelesen. Sehr aufschlussreich. LG Evelyne