-EvA-


Premium (Pro), Düsseldorf

Gedankenverloren ...

(inspiriert durch die Idee von Orange and Yellow Bilder mit Geschichten zu verbinden :)


Gedankenverloren schaute sie aus dem Fenster, während der Kutscher den Pferden die Peitsche gab. Vier prächtige, schwarze Rösser mit wehendem, langem Haar waren vor dem glänzend schwarz lackierten Wagen gespannt. Immer wieder hallte des Kutschers antreibender Schrei durch die Stille der vorbeifahrenden Landschaft. Er wollte die Lady noch vor Dunkelheit an ihr Ziel gebracht haben. Es dämmerte bereits und sie hatten noch einen langen Weg vor sich.

Sie fröstelte und zog ihren Umhang ein wenig fester zu, obgleich sie wusste, dass dies wenig half. Hätte sie geahnt, wie schnell der Sommer dem Herbst wich, hätte sie eine Decke mit eingepackt. Wehmütig schaute sie dem Sonnenuntergang zu. Wie schnell doch alles vorüber ging. Eben noch war sie in ihrer Sommerresidenz am Meer und nun auf dem Weg nach Hause. Die Winter am Meer mochte sie nicht und zog es vor, diese im Landesinneren zu verbringen. Das erschien ihr immer ein wenig wärmer, als an der stürmischen Küste.

Die Pferde jagten in schnellem Galopp über die unbefestigte Straße, doch plötzlich lautes Wiehern, als sie jäh vom Kutscher nach rechts geführt wurden. „Was machst Du?“ rief sie dem Kutscher durch das kleine Fenster zwischen ihr und dem Kutschbock zu. „Das ist der falsche Weg!“ Doch er antwortete ihr nicht und fuhr Richtung Wald, anstatt auf der Straße zu bleiben. „Verdammt, was soll das? Wo fährst Du hin? Soll das eine Abkürzung sein? George, sag’ mir auf der Stelle, wo wir hinfahren!“ wetterte die Lady, aber sie erhielt keine Antwort. Maßlos ärgerte sie sich über diese Ungehörigkeit, doch was sollte sie tun? Bei dem Tempo war an ein Aussteigen nicht zu denken. Immer wieder klopfte sie mit einem Buch an die Kutschwand und schimpfte, doch keine Reaktion seitens des Kutschers. Er hielt direkt auf den Wald zu. Langsam wurde ihr mulmig zu Mute. Das war überhaupt nicht seine Art, dieses Ungehorsame. Sie beschloss, ihre Stimme zu schonen und lehnte sich, kochend vor Wut, zurück in Erwartung, wo er sie wohl hinbringen würde.

Am Waldesrand angekommen, wurden die Pferde langsamer. Ein schmaler, aber doch für eine Kutsche ausreichender Weg, führte ins Dunkel. Sie wurde sichtlich nervös bei dem Gedanken, sie könnten überfallen werden und noch einmal unternahm sie den Versuch, mit George zu reden, immer noch ohne Erfolg. Sie fuhren eine Weile, bis die Kutsche zum Stehen kam und sofort nutzte sie die Gelegenheit, auszusteigen. Sie stellte sich, mit den Händen auf die Hüfte gestützt, vor den Kutscher und schrie ihn an. „Bist Du von allen guten Geistern verlassen? Was soll das? Was machen wir hier? Bist Du zu dumm, den Weg nach Hause zu finden? Na warte! Wenn wir heim kommen, kannst Du was erleben!“ Während sie aufgeregt schimpfte, starrte der Kutscher nur über sie hinweg, Richtung Dunkelheit des Waldes, ohne ein Wort zu sagen. Das regte sie noch mehr auf. Plötzlich ein Geräusch von herannahenden Pferdehufen und knackenden Ästen, was die Lady erschrecken ließ. Sie fuhr herum und sah 3 Reiter auf sich zukommen. Ihre Stimme verstummte und ihr Puls schoss vor Angst in die Höhe. „Großartig!“ sagte sie zum Kutscher, „das hast Du fein hinbekommen! Jetzt werden wir vermutlich auch noch ausgeraubt!“ George zeigte immer noch keine Reaktion.

Sie drehte sich erneut um, um nach den Reitern zu schauen, da standen sie schon vor ihr. Beim Schnauben der Pferde zuckte sie zusammen, so dicht standen sie vor ihr. Alle drei Reiter waren von großer Statur und dunkel gekleidet. Man konnte die Gesichter bei den Lichtverhältnissen kaum erkennen. Der Mittlere machte ein kopfnickendes Zeichen zum Kutscher. Dieser nickte ebenfalls und animierte die Pferde, sich in Bewegung zu setzen. „Wa … was soll das? George! Halt! Wo willst Du hin? Du lässt mich hier nicht allein!“ Wütend und ängstlich ließ der Kutscher sie wortlos zurück, gefolgt von den beiden äußeren Reitern. Sie verstand die Welt nicht mehr. Warum überlässt George sie einem Fremden? Noch ehe sie den Gedanken zu Ende dachte, stand der düstere Reiter dicht hinter hier. „Verzeiht Mylady, wenn ich Euch Angst mache, doch seid gewiss, Euch wird nichts geschehen, genauso wenig, wie Eurem George. Ich hoffe, Ihr werdet ihn bei Eurem Wiedersehen nicht zu hart strafen, denn er handelte nur auf Anweisung … meiner Anweisung.“ Ein kaum merkliches Lächeln huschte über sein Gesicht. Seine Stimme war warm … tief … und irgendwie vertrauensvoll. Doch davon ließ sie sich nicht beirren und wetterte: „Was fällt Euch ein? Habt Ihr meinen Kutscher etwa bestochen? War das ein abgekartetes Spiel?“ „Nun, wie soll ich sagen?“ Kurze Stille bevor nur ein knappes „Ja“ kam. „Was erdreistet Ihr Euch?“ Sie hob ihre Hand, um zum Schlag anzusetzen, doch mitten in der Bewegung hielt er ihr Handgelenkt fest. „Nanana, wer wird denn gleich grob werden?“ grinste er und war doch eher belustigt als eingeschüchtert von ihrem Verhalten. „Gebt zu Mylady, von allein wäret Ihr doch niemals gekommen.“ „Warum sollte ich auch? Ich kenne Euch doch gar nicht“. „Aber ich kenne Euch und ich möchte Mylady noch etwas näher kennenlernen.“ „Woher wollt Ihr mich denn kennen? Ist das etwa die feine englische Art so einen Menschen kennenzulernen? In dem man ihn entführt?“ Missbilligend und mit blitzenden Augen sah sie ihn an. „Ihr wisst es vielleicht nicht, aber wir sind uns schon ein paar Male über den Weg gelaufen und ich habe Euch oft beobachtet. Ich wartete nur einen günstigen Zeitpunkt ab, der meiner Meinung nach jetzt genau richtig ist.“ Und wieder lächelte er verschmitzt.
„So! Meint Ihr?“ Wie unverfroren er doch war, dachte sie sich. Doch anstatt angewidert über dieses unmögliche Verhalten zu sein, fühlte sie sich geschmeichelt. Er hatte sie also schon gesehen … vermutlich auch beobachtet … doch warum konnte sie sich nicht erinnern? Er war doch eigentlich jemand, der ihr auffallen würde? Und warum sprach er sie nicht an, wenn er ihr bereits ein paar Mal über den Weg gelaufen war? Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte … „Ihr fahrt jeden Dienstag ins Dorf, um auf den Markt Eure Einkäufe zu tätigen … jeden Donnerstag trefft Ihr Eure reizende Freundin, um auf ihrer Veranda ein Pläuschchen bei Kaffee und Kuchen zu halten … und jeden Sonntag geht Ihr in die Kirche … oft seid Ihr allein am Strand unterwegs. Ihr sammelt dort Muscheln, um mit ihnen kunstvolle Gebilde herzustellen … und Ihr sitzt oft nächtelang wach am Fenster und schaut aufs Meer.
Wollt Ihr noch mehr hören?“ „Woher … verdammt! Ihr beobachtet mich?“ Warum … warum macht Ihr das? Und wer seid Ihr überhaupt?“ „Fragen über Fragen … “ seufzte er lächelnd und verdrehte schauspielernd die Augen. Dann wurde seine Miene sehr ernst. Immer noch ihr Handgelenk festhaltend stand er nun sehr nah an ihr. Er beugte sich ein wenig runter und seine Lippen waren nun dicht an ihrem Ohr. „Weil Ihr mir gefallt“ flüsterte er leise …

Sie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt fühlen oder erbost sein sollte über solch Dreistigkeit. Wer weiß, ob dieser Fremde nicht ein Psychopath war, wenn er nichts Besseres zu tun hat, als sie sogar nachts zu beobachten, wenn sie wieder mal gedankenverloren am Fenster saß. Und das tat sie sehr oft. Aber er wirkte so vertrauensselig. Konnte sie ihm vertrauen? War sie bei ihm sicher? Nun waren sie allein und er könnte alles Mögliche mit ihr anstellen ... sie ausrauben oder gar töten!?

„So, ich gefalle Euch also?! Wer seid Ihr überhaupt? Ihr habt Euch noch nicht einmal vorgestellt“ versuchte sie ihre Unsicherheit zu überspielen. „Verzeiht meine Ungehörigkeit Mylady, mein Name ist Darian Lightstone , Lord of Lightstone. „Euer Name sagt mir nichts, ebenso wenig wie Euer Gesicht. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, Mylord jemals begegnet zu sein.“ „Das wundert mich nicht, habe ich mich doch immer im Hintergrund gehalten.“ „Aber wieso? Und wieso wolltet Ihr mich auf diese Weise kennenlernen?“ „Wie gesagt, ich wartete den richtigen Zeitpunkt ab. Doch nun genug Fragen gestellt. Es wäre mir eine Freude, wenn Mylady mich begleiten würde. Ihr wollt doch sicherlich nicht die Nacht im Wald verbringen!?“ „Einen Teufel werde ich tun! Wieso sollte ich mit Euch gehen?“ Abermals beugte er sich zu ihr und raunte ihr ins Ohr:“ Weil es hier im Wald nur so von Schurken wimmelt“. Er grinste, ließ endlich ihr Handgelenk los und legte seine Hand auf ihren Rücken um sie Richtung Pferd zu geleiten. Doch sie sträubte sich. „Ich gehe nirgendwo mit Euch hin! Lieber lasse ich es auf die Schurken ankommen!“ „Wie Ihr wollt, Mylady. Doch schreit hinterher nicht um Hilfe.“ Er drehte sich um, ließ sie einfach stehen und ging ganz langsam auf sein Pferd zu.

Er lässt mich doch jetzt wirklich nicht zurück, dachte sie sich. Doch er tat es. Sie überlegte kurz, ob sie ihm hinterherlaufen sollte. Nein, nie und nimmer. Sie hatte ihren eigenen Kopf und war viel zu stolz, zuzugeben, dass sie nicht zurückgelassen werden wollte. Andererseits wollte sie auch nicht so einfach mit einem Wildfremden, der sich erdreistete, sie entführen zu lassen, mitgehen. Wo käme sie denn dahin? So machte auch sie kehrt und ging in die Richtung, aus der die Kutsche kam. Schnellen Schrittes entfernte sie sich von dem Lord, der sich mittlerweile umdrehte, um zu schauen, wie sie sich wohl entscheiden würde. Er war verblüfft, denn mit so einem Starrsinn hatte er nicht gerechnet. Er glaubte wirklich, sie käme ihm hinterher. Es gefiel ihm sogar ein wenig, war er doch nicht gewohnt, dass Menschen sich seinem Willen widersetzten. Der Lord überlegte kurz ... Eigentlich sollte es so nicht ausgehen. Er wollte sie keiner Gefahr aussetzen oder das ihr Leid widerfuhr und die Wälder waren nachts wirklich gefährlich. So rief er ihr hinterher „Mylady, seid nicht so dumm und kommt wieder zurück!“ Er hätte sich gewundert, hätte sie es getan …

Mittlerweile war es schon ziemlich dunkel. Wenn der Mond nicht so hell leuchten würde, hätte sie vermutlich nichts von dem Weg erkennen können. Tausende Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Angst, überfallen zu werden mischte sich mit Ärger über diese Unverfrorenheit, doch wollte sie keineswegs als schwache Frau dastehen. Auch wenn sie Gefallen an ihm fand, denn er war in ihren Augen sehr attraktiv und auch wenn sie sich geschmeichelt fühlte, änderte dies nichts an der Tatsache, dass man so etwas einfach nicht macht, dachte sie sich. Für einen kurzen Moment hielt sie in ihren Schritten inne um zu horchen, ob er ihr hinterher geritten kam, doch sie hörte nichts als beängstigende Stille. Ob es wirklich das Richtige war, diesen Weg zu wählen? Hätte sie nicht lieber mit ihm mitgehen und sehen sollen, wohin das führen könnte? Sie war doch sonst ständig auf Abenteuer aus und das wäre vielleicht eines geworden? Sie schob die Gedanken beiseite und versuchte sich auf den Weg zu konzentrieren. Immer und immer wieder horchte sie in die Nacht hinein, doch nur Stille umgab sie ... seltsame und unnatürliche Stille …

Teil 2

Gefühlte ...
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Teil 3
Auf ihrer ...
Auf ihrer ...
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Comments 10

  • Herr Schwarzkopf 14/10/2014 11:07

    das ist sehr schön, stimmungsvoll, klasse gemacht!
    lg hs
  • Steve Ember 19/09/2014 3:48

    Stunning image and editing. One can feel the foreboding as the full moon sets off the forms of the trees.
    Compliments!
    Steve
  • Joe Esch 19/01/2014 17:41

    sehr originell
  • Mershee 16/01/2014 20:17

    Ja, steh ich im Wald hier? Super Stimmung und dazu diese herrliche Geschichte.
    LG Mershee
  • Manuel Gloger 14/01/2014 23:16

    Feine Bearbeitung nach Eva-Art. Die Kutsche habe ich wohl verpasst, aber ein Waldspaziergang ist ja auch ganz nett. Die Geschichte mit dem Bild zu verbinden ist eine gute Idee. Sobald ich die Zeit finde, werde ich sie in Ruhe lesen.
    GLG Manuel
  • photomotics 13/01/2014 12:47

    Eine schöne Geschichte, die das Bild so richtig untermalt.
    Klasse gemacht.

    LG Andree
  • saarhara 12/01/2014 20:10

    sehr schön !!!
  • Orange and Yellow 12/01/2014 20:02

    Ich werd hier noch verrückt! Ich switche immer von Gabriele Bendler zu Orange & Yellow :-)))).
    Tolle Idee!!!! Ist zwar nicht leicht, die Geschichte hier zu lesen, weil die Schrift so klein ist, aber sie ist spannend, also "Augen zu und durch" ;-)

    Das Licht auf dem Bild ist ja genial!

    Ich liebe den Schluss der Geschichte: immer schön schaurig offen!

    Bin ja mal neugierig, ob wir uns hier gegenseitig inspirieren :-)))))

    GLG von Deiner Gabi

    Und nu das Bild:

    Rüdi der kleine Laubfeger reloaded
    Rüdi der kleine Laubfeger reloaded
    Orange and Yellow

  • Gabriele Krug 12/01/2014 19:56

    Boa, EvA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    Total geil! Toll gemacht, beides: die Geschichte und auch das Bild. Und das inspiriert mich wieder :-))))

    GLD+DU von Deiner Gabi
  • Klaus-Peter Beck 12/01/2014 19:09

    Ein Traum - davor versiegen Worte!

    Gruß
    Klaus-Peter

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