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Wintermärchen

Wintermärchen

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CK Photography


Free Account, Radolfzell am Bodensee

Wintermärchen

Wir waren wohl fünf. Als wir einzeln durch Sturm und Schnee kämpfend diesen Ort erreichten, lag hinter jedem von uns schon eine Menge an Erlebnissen. Wir begannen sie erzählend wie Glasperlen zu tauschen.
Der Geist malte mit seinen Händen Bilder von fernen Ländern und seltsamen Wesen in die feuerstickige Luft. Wir sahen ihm mit von Staunen geöffneten Mündern zu. Ab und an entschwebte er durch die Decke des niedrigen Holzhauses und ein jedes mal fragten wir uns besorgt, ob er den Weg zum Boden wiederfinden würde.
Die Unbedarftheit pflegte immer unruhig auf und ab zu wandern. Ein wenig gehetzt war sie, wenn auch von bestechendem Intellekt. Nur auch von allzu wankelmütigen Glauben. Eines jeden kurzen Tages verkündete sie neue Sichtweisen, änderte Namen und Erscheinungsbild ihren Anwandlungen passend. Wir alle bewachten ihren leichten Schlaf.
Die Fürsorglichkeit war freudig lachend, von Kummer gezeichnet. Doch anstatt darin zu vergehen sog sie die Sorgen und Nöte von uns anderen vier auf, blies Seifenblasen aus Fröhlichkeit, balancierte sie zu unserem Entzücken auf der Spitze ihres Schwertes. Manchmal ließ sie es fallen.
Ich, die Struktur, lachte. Lehrend flüsterte ich Wintermärchen in die kalte Morgenluft und verirrte mich alsbald im tiefen Schnee. Schneekristalle staunend fand ich den Weg zurück. Warmes Licht der Hütte wies mir ein daheim. Als die anderen mich fragten, was ich gesehen habe, erkannte ich, daß ich es nicht mehr wußte.
Zweifel kauerte immer etwas unschlüssig in einer Ecke. Mal war sie begeistert, mal schüttelte sie resigniert den Kopf. Wir wollten sie Sanftmut nennen, doch sie zweifelte an der Richtigkeit dieses Namens.
Wir hatten uns die Hütte wohnlich gemacht. Sie nahm vor unseren Augen Form an, wuchs an unseren Erfahrungen. Wir vertrauten auf unsere Einigkeit. Die ersten Stürmen zerrten an den Holzbrettern, doch sie hielt stand. Eindringlinge kamen, als Besucher getarnte Unruhestifter. Wir strauchelten ein wenig, wiesen ihnen die Tür und vergaßen sie schnell.
Wir fühlten uns wohl.
Doch nun? Nachts wenn die anderen schlafen, setze ich mich neben die Fürsorglichkeit und wir flüstern. Wann es anfing, kann ich nicht sagen. Irgendwann haben wir wohl beide im Schlaf gesprochen und unsere Träume haben sich überrascht geantwortet.
Fürsorglichkeit: "Ich kann die anderen nicht mehr sehen."
Struktur: "Ja, ich weiß. Aber sie müssen direkt vor uns liegen."
Fürsorglichkeit: "Wenigstens der Geist könnte mal deutlicher werden. Er hat mir vom Himmel erzählt. Ich glaube dort gefällt es ihm besser, als in dieser engen Hütte."
Struktur: "Er ist schon lange gegangen, genau wie die anderen. Sie wissen es nur noch nicht."
Fürsorglichkeit: "Und was sollen wir nun tun. Wenn es nur noch uns beide gibt? Wenn die anderen noch hier sind, aber an andren Orten weilen?"
Ich seufze: "Ich gehe."

Und eine ging....

Quelle:
http://www.gedichte.com/showthread.php?t=46297

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