Renate

POTT.Menschen

Wenn sie heute im „Actien-Becher” bei Renate Bisterfeld sitzen, die als Wirtin auch schon 44 Jahre bei der DAB im Sturm spielt, kommt noch immer der Stolz auf. Aus den Jungs rund um den Borsigplatz sind Senioren geworden, 73, 74, 75 Jahre alt. Meister in den Schüler-, den Jugendmannschaften der 40-er, der 50-er Jahre. „Limpi” Hans Limper hat's später bis zum Deutschen Amateurmeister gebracht, spielte noch bei Wormatia Worms in der Oberliga Südwest. Friedhelm Flenner wurde lange als Nachfolger von Max Michallek gehandelt - dann fing er sich Scharlach und durfte ein Jahr keinen Sport mehr treiben. „Ach, lassen wir's”, sagt er. Sie pöhlten, und wer von so weit unten kam, vom Hungerwinter, von Lumpenbällen, der darf sich zum BVB-Fundament zählen.

Große Augen vor der Kantine
Es ist die Erinnerung an die schlechten Zeiten, die das kühle Pils bei Renate heute so lecker macht. „Wir Kinder standen mit großen Augen vor der Kantine der Zeche Kaiserstuhl”, so Steube. Nur die Bergleute bekamen als Schwerarbeitende Vollkost, und sie ließen für die Kinder immer was auf dem Teller.

Fressen und gefressen werden. Wenn die Jungs der Robertstraße gegen die der Schlosserstraße spielten, war das auch so. Gepöhlt wurde auf der Straße, Kellerfenster waren die Tore. „Polnischer Korridor” hieß die Ecke, „und als ich beim BVB spielte, hatten wir acht dabei, deren Namen mit ,ski' endete”, sagt Helmut Schreiner. Kwiatkowski, Kapitulski, Schlebrowski - das waren große Namen des BVB.

Mit geschwollener Brust
Böhnke war da eher ein kleiner Name. „Pöhlen konnt' ich nicht”, gibt er zu, „aber in die richtige Richtung laufen.” Als er das erste Mal die BVB-Stutzen überstreifen durfte, schwoll ihm die Brust: „Ich hab nachts damit gepennt.”

Einen vergessen sie nie: Emil Heuser. „Was der für uns gemacht hat, kann man nicht hoch genug schätzen. Der sah einen spielen und sagte, ich will dich beim nächsten Training sehen”, so Hubert Chroscinski. Ohne ihn gebe es keine BVB-Geschichte mit ihnen. Heuser hat sie trainiert. Auswärtsspiele gehörten zum Training. Spiel in Schüren: Zu Fuß hin und zurück. Turnier 1946, sie hatten nur acht Trikots. Im Endspiel standen ÖSG Viktoria und der BVB. Blaue Trikots also gegen hemdlos. Hemdlos gewann 1:0. Die ausrangierten Schuhe spendeten die Senioren. Manchmal blieben zwei linke übrig. Da musste sich der rechte Fuß dann dran gewöhnen.

Kleine Jungs und der große BVB
Es war Walli Johnen, der alle wieder zusammenholte. Sie kehren die Erinnerungen zusammen zu einem schwarz-gel-ben Haufen. Die an Addi, Zilla, Tütte, Itze, Pere, Kemmatsch und Henna. Kennt auf der Südtribüne keiner. Waren kleine Jungs. Sind aber auch der große BVB.

Sie haben noch 30 Jahre lang in der Altherrenmannschaft gekickt. Ist aber auch vorbei. Die einzige, die heute noch steil geht, ist - Renate.

Comments 37

  • Oliver Oster 23/04/2016 12:45

    Solche Fotos kann ich selber überhaupt nicht. (Ich hoffe nicht nur dehalb) für mich eines der Fotos, die zu gut sind um im Zeitverlauf in den Tiefen des Bilderbergs zu versinken.
    Ja, auch die Geschichte ist gut aber das Bild selbst ist schon ein üppiger Geschichtenerzähler.

    Klasse!
  • Bea Dietrich-Gromotka 24/03/2015 20:47

    @michael Dammer
    In der Nordstadt...bin da so durch die strassen getigert, in der nähe des Borsigplatzes....wenn du Einheimische fragst...kennt da aber bestimmt jeder:-))

  • Michael Dammer 24/03/2015 20:37

    gibt es diese kneipe noch?

    wo finde ich sie ?
  • Bea Herzberg 16/11/2014 23:37

    ..eine Ruhrpott-Doku mit viel Herz und Atmosphäre
    - mag ich...
    LG Bea
  • Rüdiger Dreier 05/11/2014 13:25

    gute Doku... und die ÖSG Viktoria aus Dortmund Körne
    wird auch noch genannt. Habe dort in meiner Jugend einige Jahre gespielt. Ja so war der Pott.
    LG Rüdiger
  • nur ein moment 28/10/2014 18:36

    Alles was das Herz begeht...und TRADITION wird gross geschrieben.... Eine tolle Werbung für unser Revier :-)

    Grossartig!

    vg . nur ein moment
    ps: herzlichen Dank f d Anregung!
  • Jens Lotz 13/08/2014 16:09

    spannende Geschichte und ein Lachen hinter dem Tresen. Ich gehe mal jetzt hinsichtlich des Fotos nicht so weit wie Olli zwei über mir, aber in Verbindung mit dem Text ist es eine sehr gute Dokumentation geworden. Dieses Genre ist zwar leider hier in der FC allgemein etwas unterrepräsentiert, gleichwohl aber erfreulich, wenn es so erfrischend wie hier kommt.
    Bei uns im Verein hieß die Grande Dame hinter dem Tresen Ruth.
    LG jens
  • Redpicture 11/08/2014 19:25

    sie hält durch.

    klasse.
  • OlliB² 11/08/2014 18:13

    eins Deiner Besten !
  • hbs 11/08/2014 9:31

    "pöhlen" ... wie lange habe ich das nicht mehr gehört und was für eine Geschichte! Ganz wunderbar! und das Foto dazu sowieso.
  • Karloland 11/08/2014 0:03

    Sie weiß wovon sie spricht! Guuut!
  • Petra K... 10/08/2014 22:30

    Du warst am Puls des Ruhrpotts!
    LG Petra
  • La Imagen 10/08/2014 22:10

    das ist ja fein ...
    lg
    Dietma r
  • dasdritteauge 10/08/2014 21:32


    das bild zeigt, dass sie untrennbar
    mit ihrer umgebung verbunden ist !

    liebe grüße vom 3auge

  • Rainer Golembiewski 10/08/2014 20:57

    gute Dokumentation......!