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L a t e m a r

Die Latemar-Puppen - aus www.eggental.com

Unweit des Karerpasses saßen eines Tages mehrere Hirtenkinder, als ein alter Mann daherkam und ihnen mitteilte, er habe sein Messer verloren. Die Kinder versicherten ihm, dass sie nichts gefunden hätten und begannen sofort zu suchen. Inzwischen läutete man den Abendsegen. Die Kinder mussten nun daran denken, das Vieh zusammenzutreiben, und der Alte entfernte sich in die Richtung des Latemars. Während aber die Kinder mit dem Vieh auf dem Heimwege waren, bemerkten sie im Grase etwas Glänzendes; das älteste Kind, die zwölfjährige „Minega“, eilte hinzu und siehe: zwischen Blumen lag ein schönes Messer mit goldenem Griff. Minega lief so schnell sie konnte zum alten Mann und übergab ihm das Messer. Dieser war sehr erfreut und versprach, der ehrlichen Finderin einen Wunsch zu erfüllen. Minega wünschte sich verlegen eine Puppe. „Gut“ sagte der Alte, „komm morgen mit den anderen Kindern, die heute bei dir waren, hierher und ich werde euch eine ganze Schar Puppen vorführen. Die Schönste könnt ihr euch aussuchen. Jetzt ist keine Zeit mehr dazu, du musst jetzt nach Hause gehen, denn es dämmert bereits und die bösen Geröllhexen kommen zu dieser Stunde von den Mugoni herunter.“ Die Kleine erschrak bei diesen Worten, wünschte dem Alten einen guten Abend und eilte dann wiederum herab. Oberhalb Tamion führt der Pfad über einen Bach, und auf dem Steg stand eine landfremde Frau. Minega erwiderte ihren Gruß und erzählte was geschehen war. „Oh du Glückskind“, sagte die Fremde, „der Alte Venediger, mit dem du da zu tun hast, ist ein steinreicher Mann, der in der Berggegend Latemar wohnt und wunderbare Schätze wie Goldgruben als sein Eigen nennt. Er hat auch Puppen, zweierlei Sorten: die einen tragen weiße, gelbe und rote Seidenkleider, die anderen aber brokatene Gewänder nebst Perlengeschmeiden und goldenen Kronen. Wenn er euch also morgen nur die Puppen in den Seidengewändern vorführt, so musst du dich damit nicht zufriedengeben, sondern sagen: „Puppen von Stein mit seidenen Fetzen, bleibt dort und schaut euch den Latemar an!“ Dann wird der geizige Alte auch die kostbaren Puppen mit den Goldkronen holen. Nachdem die Frau so geredet hatte, wanderte sie in den finsteren Wald hinein. Am nächsten Tag kamen Minega und die anderen Hirtenkinder auf den Berg Latemar. Als sie den gleichen Ort erreicht hatten, hörten sie hoch oben ein seltsames Geräusch: sie blickten auf und es öffnete sich ein schweres Tor am Himmel, aus dem ein endloser Zug von Puppen hervorkam mit weißen, gelben und roten Seidenkleidern. Starr vor Verwunderung betrachteten die Kinder dieses seltsame Schauspiel. Nach einer Weile sagte Minega den Spruch auf und zugleich hörte man ein Pfeifen und Sausen durch den Berg ziehen. Ein Hohngelächter ertönte aus dem Wald und die Puppen wurden zu Stein. Noch heute kann man die färbigen, prächtigen Seidenkleider der versteinerten Puppen in der Sonne glänzen sehen.

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