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Die andere Seite des Yachthafens

Die andere Seite des Yachthafens

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Albertina


Free Account, Saarbrücken

Die andere Seite des Yachthafens

Es ist schon fast zehn Jahre her, als eine Freundin zu mir sagte: "Tina, ich habe einen interessanten Mann kennengelernt. Er wohnt auf einem Schiff und lebt davon, dass er Fahrräder repariert. Wenn Du Lust hast, können wir ihn mal besuchen."
Wir schwangen uns auf unsere Fahrräder und fuhren den Staden entlang, passierten das Heizkraftwerk, den Yachthafen, den Silo. Am Ende des "toten" Saararms fuhren wir auf der anderen Seite des Gewässers in die gleiche Richtung, aus der wir gekommen waren. Damals lagen noch viel mehr Schiffe dort als heute, meistens alte Kähne, die aber als Hausboote ihren Zweck gut erfüllten.
Ich mochte solche Fluss-Schiffe, hatten mich doch schon als Kind ihre puppenstubenartigen Kajüten fasziniert.

Schließlich waren wir an unserem Ziel angelangt. Der Schiffsbesitzer begrüßte uns und zeigte uns sein Schiff. Überall lagerten Fahrräder, die auf die Reparatur warteten oder bereits repariert waren.
Danach tranken wir Kaffee in der Wohnkajüte, die hübsch und rundum gemütlich eingerichtet war. Das einzige, was mich ein bisschen beunruhigte, waren einige Spinnweben, die über unseren Köpfen hingen und in denen dicke Kreuzspinnen saßen.

Nachdem wir den Mann und sein Schiff wieder verlassen hatten, hörte ich jahrelang nichts mehr von ihm.
Dann erzählte mir jemand, das Schiff sei auf den Grund gesunken. Es rage wegen der geringen Wassertiefe immer noch über den Wasserspiegel hinaus, aber wohnen könne dort niemand mehr. Ich fragte nach dem Mann, der dort gewohnt hatte. "Der hat das Schiff verlassen, außerdem ist er schwer krank."
Das Gerücht ging um, dass einige Schiffseigner der im Yachthafen ankernden schnieken Yachten das Schiff angebohrt hätten, das in ihren Augen ein Schandfleck war. Obwohl einige Spuren auf Sabotage hindeuteten, konnte niemand den Yachtbesitzern etwas nachweisen.
Auf meinem Foto ist das "abgesoffene" Schiff zu sehen - als Kontrast die Yachten im Hintergrund. Einige der Fahrräder befinden sich noch an Bord, aber früher waren es mehr gewesen.

Ich wünsche dem leider immer noch kranken Besitzer und ehemaligen Bewohner des Schiffes alles Gute und vor allem, dass er wieder gesund wird.

Comments 4

  • Eric mit c 04/02/2015 3:45

    Eine traurige Geschichte! Schade für den alten Mann und das Schiff. Auf jeden Fall bietet selbiges aber ein spannendes Motiv, das ohne deine Hintergrundinfo, viel Raum für die wildesten Gerüchte geboten hätte.

    LG
    Eric
  • Brigitte BB 25/10/2014 21:32

    Sehr schön und sehr einfühlsam von Dir festgehalten! Gut, dass Du die erklärenden Zeilen dazu geschrieben hast.
    Liebe Grüße, Brigitte
  • Niggelpit 25/10/2014 4:59

    Hallo Albertina,

    als ich dein Foto sah, dachte ich zuerst an eine ganz tolle Umsetzung des Themas "Kontraste". Aber schon der Titel deines Fotos zeigt, dass in diesem Bild noch viel mehr stecken muss, als auf dem ersten Blick zu erahnen ist. Die Bildbeschreibung schließlich verdeutlicht die tiefe, traurige Wahrheit.

    Man kann also sagen, dass dein Bild es "in sich hat". Klasse!

    Liebe Grüße
    Niggelpit