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Zynische Laternen

Zynische Laternen

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smokeonthewater


Premium (World), Berlin

Zynische Laternen

In den nächsten Wochen mache ich mich etwas rar in der FC. Von Berufs wegen ziehe ich nach Berlin um. Hier ein paar aktuelle Nachtbilder.

Berlin by night: Straßen- und Fußwegleuchten im Regierungsviertel

Wie diese Laternen entlang eines Grünstreifens die Fahrbahn beleuchten, erinnert bedrückend an die Ausleuchtung des Mauerstreifens.
Die Berliner Mauer verlief 1961–1989 durch diese Gegend. Was hat sich der Architekt nur dabei gedacht, in so zynischer Weise daran zu erinnern?
http://static.apps.morgenpost.de/redaktion/2014/slidermauer/mauerleervor.jpg http://www.berlinermaueronline.de/xgraphics/fotos/berlinermauer-1983sp/1983-14-sp.jpg

Comments 46

  • gelbhaarduisburg 26/06/2015 9:06

    Naja, ich bleibe bei dem, was ich schon gesagt habe. Und Du selbst sagst ja auch, dass heutige Ostdeutsche unter 30 mit dem Namen Honecker nicht mal mehr was anfangen können. Da kann es so dumm nicht sein, wenn diese Laternen an den alten Horror erinnern. Man könnte freilich auch Teelichte nehmen. Die könnten manchen blöden Körnerfressern meiner Generation, für die die Wiedervereinigung nur eine Irritation war, immerhin zum Licht der späten Erkenntnis werden. Aber ich muß zugeben, das ist wieder ein vollkommen anderes Thema.
  • smokeonthewater 25/06/2015 22:47

    Wie gesagt, es hätte 1000 Leuchtendesings gegeben. Warum ausgerechnet die bzw. in dieser Anordnung?
    Und Checkpoint Charlie war schon zu Mauerzeiten ein Tourismusmagnet, zumindest auf Westberliner Seite. Das war damals Folklore und ist es heute. An diesem Übergang fuhren Diplomaten und Westkünstler hin und her, und Ostberliner Künstler wie Manfred Krug reisten da aus. Ähnlich wie die Glienicker Brücke, wo die Agenten ausgetauscht wurden. Das hat schon was von Disney, aber das ist was für die Knipser aus Japan. Das nehme ich nicht ernst.
  • gelbhaarduisburg 25/06/2015 22:34

    Eine Ästhetik, die in Verbindung mit den Maueropfern steht? Ich versuche und versuche, das zu verstehen. Es gelingt nicht. Die Gestalt der Laternen? Deren Ausrichtung? Was empfindest Du als geschmacklos? Ich finde eher das Kasperltheater sehr sehr fragwürdig, das man am ehemaligen Checkpoint Charlie heute aufführt, mit diesen jungen Männern in den alten Ami-Uniformen, ich habe diesen Touristenscheiß in der Glotze gesehen, und das wiederum finde ich, wenn nicht geschmacklos, dann Disney-artig verharmlosend. "...mancher wird diese Beleuchtungssituation als Trauma in Erinnerung haben: Flüchtlinge, Angehörige von Maueropfern, Grenzsoldaten", schreibst Du. Ja, das kann ich zwar irgendwie nachvollziehen. Aber was wäre gerade an solchen Stellen die Alternative? Ich habs weiter oben schon angedeutet: Wenn ich höre, wieviel Erinnerung an gestern schon beseitigt wurde in Berlin, kann diese Beleuchtung so falsch gar nicht sein. Mal ganz davon abgesehen, dass ich die Kritik, das passe ins Bild, wie der Westen mit der ostdeutschen Identität umgehe, hier unangebracht finde. Die Mauer hatte zwei Seiten. Es gab zwar - so viel ich weiß - keine West-Berliner Mauertoten, aber die Mauer war nun wirklich nicht nur für DDR-Bürger ein bösartiges Konstrukt, also, wenn man das Licht da nun unbedingt kritisieren will, kommt man dabei auch ohne diese Argumente aus, die, wie Du siehst, immer, aber auch immer in die weiten weiten Felder der nie endenden Ost-West-Spalte führen.
  • smokeonthewater 25/06/2015 21:45

    @Jens: Woran mich die Laternen erinnern? Klick die Links unterm Bild an. Und das meinte ich sicher nicht mit Geborgenheit. Ich finde es geschmacklos, eine Ästhetik aufzugreifen, die in Verbindung mit den Maueropfern steht. So einfach.
  • gelbhaarduisburg 25/06/2015 21:13

    Es ist bei einem solch komplexen Thema wahrlich nicht leicht, nicht abzuschweifen. Und, Dieter, die rhetorische Arbeit des Abschweifens hab ich nicht allein bewältigt. Wenn wir also mal zum Ausgangspunkt zurück schauen: Laternen, die Du zynisch nennst. Weil sie die Leute an gestern erinnern. Aber woran genau? Du sprichst von der gestrigen Geborgenheit, und ich weiß durchaus, was Du damit meinst und denke auch, ich verstehe deinen Standpunkt dazu richtig. Es war eine zweischneidige Geborgenheit. Die Kehrseite war, dass sie geborgen, aber unmündig waren in diesem Staat. Insofern verstehe ich die Kritik an den Laternen recht gut. Daran würde ich auch nicht gern erinnert werden: einmal so gelebt haben zu müssen. Aber das kann ja nicht schon der Kern dessen sein, das Du mit deiner Kritik an diesen Leuchten jenen vorwirfst, die entschieden haben, sie so aufzustellen.
  • Rheinbild 24/06/2015 23:30

    Touché, hier wie dort....
  • smokeonthewater 24/06/2015 23:27

    Vergessen geht schnell. Frag mal einen Jugendlichen nach der DDR oder Honecker.
  • Rheinbild 24/06/2015 23:25

    Exakt. Deswegen wunderte ich mich ja warum das niemand verstehen wollte. An sich ist das alles offensichtlich. Natürlich hatten auch die Arbeiter recht die von der Qualität ihrer Produkte überzeugt waren. Aber es ging nicht um Möbel sondern um Devisen. Was letztlich jeder Intershop Käufer wissen musste.
    Seltsam wie schnell das alles vergessen wurde.
    Aber seit heute gibt es ja den Wohlfühlspot der Regierung wegen der Wiedervereinigung. Alles wird gut !
  • smokeonthewater 24/06/2015 23:18

    @Rheinbild: Da steckt viel Wahrheit drin. Der Überfluss an preisgünstigen Waren basierte nicht nur auf Billigarbeit aus der Dritten Welt, sondern auch massenhaft aus der DDR. Neckermann, Quelle und wie sie alle hießen, sie haben einen Großteil ihres Sortiments aus der DDR bezogen. Die Märkte für die DDR-Firmen sind also nicht nur im Ostblock zusammengebrochen (wo man keine D-Mark hatte, wofür man bisher nur DDR-Mark oder Rubel brauchte), sondern auch in der BRD, die problemlos die Kapazitäten anpassen und neue Billigproduktion akquirieren konnte. Mit der Währungsunion und dann der 80-%-Angleichung der Löhne in den neuen Ländern war es vorbei mit dem lukrativen Absatz.
  • Rheinbild 24/06/2015 23:08

    @utico,
    ich habe das mit gut und böse nicht gesagt. Und eine differenzierte Sicht liegt mir doch sehr.
    Du hast das ins Spiel gebracht und eindeutige historische Fakten, wie von Smoke danach erwähnt , mal wieder ein wenig verdreht. Man könnte endlose Beispiele anführen von abgebauten Industrieanlagen, freiwilligen Umsiedlungen von Spezialisten oder Arbeitsleistungen der jungen Pioniere an russischen Pipelines. Und die ganzen Ausschreitungen der Roten Armee, die es so definitiv weder bei Amis noch bei Engländern oder Franzosen gab. Und die hatten alle einen Hals auf Nazis.
    Klar sind auch Leute in die USA um dort zu arbeiten, aber die Gründe waren ein wenig anders.
    Einen Gegenstandpunkt einnehmen ist ne interessante Sache, aber versuch es nicht mit dummen Zeug bei Leuten die alt genug und nah dabei waren.
    @Smokeonthewater, ich glaube das ein großes Maß an Unwissenheit auf beiden Seiten Teil des Problem war. Als Wessi konnte man nicht verstehen warum der Ossi sich in einem Laden beschweren kam warum der Artikel den er gestern gekauft hatte nebenan doch billiger sei. Das wäre doch Betrug ! (selber erlebt)
    Das konnte hier niemand begreifen.
    Und im Osten wird zum Teil bis heute nicht verstanden das all die tollen kleinen Firmen die doch fein an Neckenmann verkauften nur deswegen Kunden im Westen hatten weil ihr eigener Staat die Artikel von guter Qualität auf Drittwelt Preise subventionierte. Natürlich waren diese Kunden sofort weg als der niedrigeffiziente Ostbetrieb plötzlich realistische Preise haben wollte.Das ist hier tausenden von Firmen aus so ergangen, nur nicht so massiert.
    Und wer will schon eine Firma erhalten die es nicht mal schaffte die Bedürfnisse von ein paar DDR Bürgern ausreichend zu befriedigen ? Das machte die Westfirma mit links mit.( Gutes Beispiel Fernseher, Spülmaschinen Computer oder "Autos") Es wurden nur die Zückerchen rausgepickt mit guten Umsatzchancen. Da ging es nur um Märkte und Kunden. Ist ja auch bei einzelnen Produkten nachträglich geändert worden, siehe Spreewald, Spee oder Rotkäppchen.
    Wie heißt das, ach ja, Kapitalismus.
    Ich finde das auch nicht toll. Aber es ist irgendwie doch logisch. Natürlich stecken dabei die Interessen der Industrie dahinter. Was den sonst ?
  • smokeonthewater 24/06/2015 22:38

    Jens, Du schweifst ab. Es ging ums Plattmachen. Die Leute haben im Sozialismus jede Sorge um die Existenz und Lebensplanung abgenommen bekommen (Geborgenheit heißt nichts anderes, nur weiß ich nicht, warum Du denkst, dass ich das gut finde), waren also lebensuntüchtig für den Kapitalismus. Sie hatten also gar keine Chance, sich gegen das Plattmachen zu wehren. Der gelernte Bundesbürger kann es ja auch nicht.
  • gelbhaarduisburg 24/06/2015 22:20

    Ja, aber WAS habt ihr denn von Klein auf gelernt in diesem Stalinismus!?? So und nicht anders muß ich das nämlich nennen, was da drüben los war: in der BRD regierten die Faschisten noch lange mit und manche tun es bis heute oder heute wieder, in der DDR haben sie das Volk mit einer panem-et-circensis-Variante, die Du mit "Geborgenhet des Sozialismus" beschreibst, das Volk darüber hinwegzutäuschen versucht, dass es auch bloß in einer Diktatur lebte. NICHTS war da wirklich besser. Das Volk ist hüben wie drüben von den jeweiligen Machthabenden gründlich verarscht worden. Du scheinst an einen Sozialismus zu glauben, der noch immer die Utopie ist, die er schon im 19. Jh. war, an etwas, das Du in der DDR jedenfalls nicht erlebt hast. Und läßt immer wieder mal durchblicken, dass Du es Gysis Partei zutraust, diese Utopie Wahrheit werden zu lassen. Aber diese Partei bietet als längst im völlig entfremdeten Parlamentsbetrieb angekommenes Clübchen nichts als Chimären, die immer wieder nur mißbraucht würden! Daher nochmal die Frage: wenn ihr in der DDR nicht gelernt habt, dem Raubtierkapitalismus zu begegnen (und das hat wohl noch nie ein Volk lernen können), was habt ihr denn dann gelernt? Ich sag´s dir: nichts. Außer zu träumen, vielleicht.
  • smokeonthewater 24/06/2015 21:33

    Jens, dass es eine Treuhand geben wird, hat den Wählern vorher niemand erzählt. So ist das in unserer "Demokratie": Es werden Politiker gewählt, die mit ihrem Mandat dann machen, was sie wollen – egal, was sie vorher erzählt oder versprochen haben. Das war so mit de Maizière, das ist heute mit Merkel und den ganzen Bonzen so. Ganz sicher wären die Bürgerforen, die hauptsächlich lokal entstanden und wirkten, auch bloß nicht in der Lage gewesen, sich gegen die Übermacht des Kapitals zu erwehren. Insofern war es wurscht, wen die Menschen gewählt haben. Das Kapital diktiert, wo's lang geht in unserem Staat. Die Politik kuscht und rollt den roten Teppich aus, bestenfalls betreibt sie Schadensbegrenzung, dann aber auch nur für Banken. Und sei ehrlich: Gegen die Wiedervereinigung, gegen diese historische Chance, war kein demokratisches Kraut gewachsen. Aus der Geborgenheit des Sozialismus ins Haifischbecken des Kapitalismus, darauf waren die Menschen nicht vorbereitet. So was muss man von klein auf lernen.

    Und diese eine Wahl war die einzige freie Wahl in Deutschland. Sieh Dir mal die Vielfalt und Bürgernähe auf diesem Stimmzettel an:
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5a/Bundesarchiv_Bild_183-1990-0312-021%2C_Berlin%2C_Volkskammerwahl%2C_Stimmzettel_Wahlkreis_I.jpg Für Lobbyismus und ausgeklügelte Wahlprogramme war gar keine Zeit. Es ging ausschließlich um Freiheit, Demokratie, Bürgerrechte, Umweltschutz und natürlich die Wiedervereinigung. Ökonomische Themen standen gar nicht zur Debatte. Mit dem Einigungsvertrag war das Ganze aber wieder hinfällig.
  • gelbhaarduisburg 24/06/2015 20:05

    An den Rand gedrängt, assimiliert, bitteschön, Dieter, wenn Du mir schon mit dem Begriff Stammtisch kommst, dann halten wir doch mal fest, dass es Radeberger im Osten gibt und KöPi im Westen. Sicher haben die Prozesse, die Du hier beschreibst, stattgefunden. Aber selbst, wenn man den Satz "Die einzige freie Wahl in Deutschland war die, als de Maizière zum Ministerpräsidenten gewählt wurde" - billige Polemik - einfach mal so stehen läßt, darf doch wohl festgestellt werden, dass auch den Herrn de Maizère irgendwer gewählt haben muß, oder etwa nicht? Verzeihung, ich vergaß: selbstverständlich war das nur eine verschwindende Minderheit, all die anderen Zehntausenden Wahlberechtigten hatten keine Zeit, zur Urne zu gehen, die mußten ja alle beim Neuen Forum die wahren blühenden Landschaften mitplanen, nicht?
  • smokeonthewater 24/06/2015 19:18

    Diese Stammtischsicht auf die Realitäten hätte ich Dir nicht zugetraut.

    Die einzige freie Wahl in Deutschland war die, als de Maizière zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Dann haben sich die etablierten Westparteien breit gemacht und die große Vereinnahmung gestartet. Die Wendemacher wie Neues Forum wurden an den Rand gedrängt ("Mission erledigt"), Bündnis 90 von den Grünen assimiliert. Damit waren keine autonomen Interessenvertretungen der Ostdeutschen mehr vorhanden.

    Vor allem die Treuhand hat den Osten platt gemacht. Ob nun Kohl oder Lafontaine ("nicht schon wieder ein Saarländer!") das Sagen hatten, ist dabei unerheblich. Lafontaine wollte sogar den Zusammenschluss beider Staaten verhindern. Wer weiß, was das am Ende für ein Chaos geworden wäre! Insofern war de Maizière derjenige, der vor der ersten gemeinsamen Bundestagswahl den Einigungsvertrag mit der Bundesregierung der Schwesterpartei, Kohls CDU, unter Dach und Fach brachte. Darin wurde auch die Schaffung der Treuhand festgelegt.

    Die Betriebsbelegschaften sind von der Treuhand übergangen worden. Eigene Unternehmenskonzepte, Management-buy-outs oder willige Wunschinvestoren wurden ignoriert. Das Diktat kam von den Konzernen aus dem Westen: Wer in den Kram passte, wurde übernommen, wer nicht, wurde "abgewickelt". So wurde eventuelle Konkurrenz ausgeschaltet. Nur wirklich starke Betriebe haben eigenständig überlebt, u.a. die große Brauerei Radeberger.

    Vergleichbare Prozesse haben sich auch im nichtproduzierenden Bereich abgespielt. Wenn zwei gleichartige Institutionen vorhanden waren, wurde immer die Ostinstituion abgewickelt – unabhängig davon, ob sie vielleicht die ältere Tradition hatte. Die Bundeshochschulkonferenz (natürlich mit einem zahlenmäßigen Übergewicht aus den alten Länden) hat gezielt einige ostdeutsche Universitäten und Technische Hochschulen zu FHs degradiert, um im Westen keine Konkurrenz bei der Studiengangauslastung zu bekommen. Die Bildungsminister der neuen Länder wurden angehalten, die Anzahl der Hochschulen zu reduzieren.

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