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Michael Kläger


Premium (Pro), Mainz

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Bilanz anlässlich der Kommunalwahl (auch wenn es anders gemeint war...)
Erinnert mich an Erich Kästners "Bilanz per Zufall":

Er hatte Geld. Und trank und aß
in dem Hotel, in dem er saß,
vom Teuersten und Besten.
Er war vergnügt und trank und aß,
und winkte mit erhobenem Glas
den Kellnern und den Gästen.

Der Blumenfrau, die bei ihm stand,
nahm er die Blumen aus der Hand
und zahlte mit zwei Scheinen.
Die Rosen waren rot und kühl.
Er gab ihr dreißig Mark zuviel.

Die Hauskapelle, sechs Mann stark,
erhielt von ihm zweihundert Mark.
Sie konnte kaum noch spielen.
Er gab den Boys und Pikkolos,
den Fräuleins und den Gigolos.
Er gab ohne zu zielen.

Die Rechnung sah er gar nicht an.
Er warf paar Scheine hin, und dann
verließ er jene Halle.
Bewundernd gingen Schritt um Schritt,
die Tänzer, Boys und Kellner mit.
So liebten sie ihn alle!

Er freute sich und sprach: "schon gut",
und nahm den Mantel und den Hut.
Da rief die Garderobiere:
"Ich kriege dreißig Pfennig für
die Kleideraufbewahrung hier!
Nicht zahlen? Wie? Das wäre!"

Da blieb er stehn. Da lachte er
und suchte Geld und fand keins mehr.
Und konnte ihr nichts geben.
Die Blumenfrau, die Gigolos,
die Kellner, Boys und Pikkolos,
die standen fremd daneben.

Er blickte sich fast bittend um.
Die andern standen steif und stumm,
als sei er nicht mehr da.
Da zog er schnell den Mantel aus,
gab ihn der Frau, trat aus dem Haus
und dachte nur: "Na ja!"

Comments 1

  • Helmut - Winkel 08/06/2009 18:04

    ...und abgerechnet wird zum Schluss, Michael...?! :-)

    ...das Erich Kästners spendabler Hotel-
    gast zuguterletzt nicht vorwurfsvoll jam-
    merte: "Undank ist der Welt Lohn" zeigt
    doch nur, dass, obwohl pleite, er trotzdem
    noch Kreativivität u n d Größe besaß!

    Zufall ist das, was einem zufällt...und jeder
    scheint das zu kriegen, was ihm zusteht...oder?

    LG Helmut