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Das letzte bißchen Leben

Das letzte bißchen Leben

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Michael Wolta


Premium (World), Magdeburg

Das letzte bißchen Leben

Hallo zusammen! Tut mir leid, dass ich mich nicht vorstellen kann. Ich habe nämlich noch keinen Namen, bin ja grade mal erst ein paar Tage auf dieser schönen Welt. Wollte mal ein munteres Rehlein werden. Aber heute hat der Bauer die Wiese, in der ich wohne, gemäht und mir dabei die Beine kaputt geschnitten.

Diesem Foto sieht man sofort an, dass etwas nicht stimmt. Kein wildes Tier, nicht mal ein gerade gesetztes Rehkitz, würde sich freiwillig so schutzlos auf eine frisch gemähte Wiese legen. Hab es von der Straße aus gesehen und sofort angehalten, um nach dem Rechten zu sehen. Der rechte Vorderlauf war im Fesselbereich verletzt, der rechte Hinterlauf am Unterschenkel amputiert. Habe die Jägerin angerufen, die einen Gnadenschuß empfahl. Wollte ich aber nicht, also hab ich mit dem Tierarzt telefoniert. Auch der meinte, da wäre nichts zu machen, das regelt die Natur von selbst. Jeder Fuchs würde das Blut auf große Distanz riechen können. Inzwischen war es dunkel geworden und ich beschloß, die Sache erstmal zu überschlafen. Indes fiel mir mein Großvater ein. Er war Briefträger und mußte die Post in die entlegensten Gehöfte unseres Dorfes tragen. Er hat öfter mal ein verletztes Tier mit nach Hause gebracht, das er unterwegs gefunden hatte. Ich erinnere mich an Weißstorch, Buntspecht, Mäusebussard, Blauracke und Pirol. Auch zwei Rehkitze hat er mit der Flasche großgezogen, ich glaube mit Ziegenmilch und Honig. So wollte ich es auch tun. Aber am nächsten Morgen war das Kitz nicht mehr auf der Wiese. Ich hoffe, dass seine Mutter es in das hohe Gras des nahen Sumpfes locken konnte und es dort von Fuchs, Seeadler und Krähen nicht gefunden wird.

Ich erspare Euch Fotos mit den Wunden des Kitzes. Ich zeige dieses Bild, um auf ein Problem aufmerksam zu machen. Jedes Jahr werden in Deutschland bei der Wiesenmahd etwa eine halbe Million Tierkinder getötet oder verstümmelt, neben Rehkitzen vor allem Junghasen sowie Rebhuhn- und Fasanenküken. Wenn Ihr Landwirte kennt, dann sprecht mit ihnen und bietet Eure Hilfe an. Jagd Eure Hunde am Tage vor der Mahd durch die Wiese, stellt Fähnchen, Vogelscheuchen oder alte Futtersäcke auf und macht Lärm. Die Ricke holt dann in der Nacht ihre Kitze aus der Gefahrenzone heraus. Das Versprühen chemischer "Duftzäune" ist weniger effektiv, da dies eine Einwirkzeit von 2-3 Tagen vor der Mahd erfordert, der Landwirt sich aber oft sehr kurzfristig zur Mahd entschließen muss. Es gibt auch Infrarot-Detektoren, die auf den Mähmaschinen installiert werden können, aber die Anschaffungskosten von etwa 600 Euro werden von den meisten Landwirten gescheut. Wir Naturfreunde können helfen, indem wir mit solchen Fotos viele Menschen betroffen machen und diese zur Mithilfe motivieren. Ich hoffe, dass Ihr mein Anliegen versteht.

Nikon D700, Nikkor VR 200-400mm /4G bei 400 mm, Blende 5.6, 1/400s, ISO 800, 19.06.2009

Vielen Dank an Roman Kaßelmann für den Galerie-Vorschlag. Für mich persönlich hat dieses Foto keine großen fotografischen Ansprüche. Ich wollte in diesem viel besuchten Forum auf ein Problem aufmerksam machen und Vorschläge unterbreiten, den vermeidbaren Tod unzähliger Tierkinder zu verhindern. Eure Beiträge zeigen, dass der Mehrheit diese Schicksale gleichgültig sind. Wenn meine Botschaft aber doch bei zwei oder drei Leuten ankommt, war mein Aufruf nicht umsonst.

Comments 88

  • Rose Paddington 15/05/2017 20:12

    Hallo Michael,
    bitte lass das nächste Kitz nicht leiden! Das macht eine grausame Sache noch viel grausamer. Da ist der Schuss tatsächlich eine Gnade. Das Kleine wurde nicht von seiner Mutter abgeholt sondern musste stundenlang leiden. Mit unvorstellbaren Schmerzen und Angst , bis es dann gerissen wurde, ohne sich wehren oder fliehen zu können. Die Mutter musste tatenlos zusehen.
    Danke, dass du das nächste Mal schnell und gnädig handelst.
    Gruß,
    Heike
    (Biologin)
  • Joerg Krause 29/03/2010 11:36

    @Lausmann:
    Du hast Recht. Es gibt schlimmeres Übel und vielleicht auch bessere Orte, um so etwas zu diskutieren. Andererseits bin ich froh, dass sich einige Menschen auch um Tierschutz kümmern. Mir sind nur die Herangehensweisen oft schleierhaft. Ungefähr so, wie mir die "Jägersprache" schleierhaft ist - eine eigene Sprache, die bemüht ist, abgeklärtes Handeln in Worthülsen zu verpacken, die über die Tatsachen hinwegtäuschen sollen. Da wird z.B. Tieren nicht das Fell abgezogen; nein, sie werden "aus der Decke geschlagen". Ein anderes Beispiel hatten wir hier ja schon. Es könnte fast lustig sein. Solche Dinge werden m.E. allzu oft viel zu einseitig betrachtet. Tierschutz aber leider manchmal auch.
  • Sabine Rogner 24/03/2010 14:46

    hab den Text jetzt erst mal durchgelesen.
    Wie der Jäger sagte, Gnadenschuß.
    Hättest es nicht gefunden, hätte die natur es geregelt, stimmt.
    Du hast es aber gefunden und stehst somit in der Veantwortung!
    Das Kitz hilflos liegen lassen? Nein.
    Bei einem Mensch wäre es unterlassene Hilfeleistung und strafbar!

    nachträgliches contra!

    mein pro bezog sich lediglich auf das Foto welches mir ohne Hintergrundwissen gefallen hat, nun nicht mehr weil es einen faden Beigeschmack erzeugt.
  • Gabriele Jentzsch 24/03/2010 11:07 Voting comment

    Vor Zorn vergessen :::: CONTRA
  • Gabriele Jentzsch 24/03/2010 11:07 Voting comment

    Finde ich unmöglich ne Nacht drüber zu schlafen ....Mann hätte auch die Polizei rufen können die erledigen sowas auch ,hoffe du konntest du gut schlafen ..
  • WPdb 24/03/2010 11:07 Voting comment

    foto: conta
    geschichte: pro
  • Sabine Streckies 01 24/03/2010 11:07 Voting comment

    Nach meiner Meinung muss ein Bild nicht immer selbsterklärend sein, sondern darf auch eine geschriebene Botschaft haben. Es gibt keinen Grund, Michael Wolta für sein Verhalten zu verurteilen, im Gegenteil. Es ist immer leicht, hinterher mit Abstand und vor allem aus der Entfernung alles besser zu wissen. Michael Wolta hat das bewegende, eindrucksvolle und damit sehr wohl gelungene Foto, die furchtbare Geschichte und seine Gewissensqualen öffentlich gemacht und Alternativen benannt. Man sollte zwischen notwendiger Dokumentation und schönem Foto unterscheiden.
    PRO – auch für andere Tiere (nicht nur Rehe kommen durch Mähdrescher um).
  • Karl R. H. 24/03/2010 11:07 Voting comment

    ???
  • Piet K. 24/03/2010 11:07 Voting comment

    Kontra
  • Birdies Landscapes 24/03/2010 11:07 Voting comment

    bild -
    tatsache ergreifen +
    skip
  • N-I-C 24/03/2010 11:07 Voting comment

    ne nacht darüber geschlafen?!!
    dafür würd sich das kitz bei dir bestimmt sowas von bedanken *kopfschüttel*
    die wunden noch fotografiert...ich glaub da fehlen paar latten am zaun..
  • Horst Hoch 24/03/2010 11:07 Voting comment

    -
  • Sichtjägerin 24/03/2010 11:07 Voting comment

    Die Tragik an dieser Geschichte ist, dass hier noch eine Nacht drüber geschlafen wurde.
  • Nena 24/03/2010 11:07 Voting comment

    pro
  • Rolf Brüggemann 24/03/2010 11:07 Voting comment

    C

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